Statt der Canon EOS R, der ersten Vollformat-DSLM des Hauses, ein noch höher angesiedeltes Profimodell folgen zu lassen, wurde mit der EOS RP zunächst eine preisgünstigere Kamera präsentiert – eine lobenswerte Entscheidung. Auch wenn in der Zwischenzeit ein High-End-Modell in Form der EOS R5 angekündigt wurde, bis zu deren Verfügbarkeit es aber noch etwas dauert, dürfte die RP weiterhin hoch in der Gunst der EOS-User bleiben. Hier unser Test.

Auch die Canon EOS RP besitzt einen Vollformat-Sensor. Die Auflösung beträgt 26,2 MPix . Legt man eine Druckauflösung von 300 ppi zugrunde, können die Bilder im Format 528 x 352 mm gedruckt werden – die der EOS R mit 568 x 379 mm. Dieser Unterschied wird wohl in den wenigsten Fällen der Grund sein, sich für die eine oder die andere der beiden Schwestern zu entscheiden.

Canon EOS RP

Mit dem hervorragenden RF 4/24-105 mm IS USM bei 50 mm Brennweite zeigt der Sensor  ein ebenfalls hervorragendes Auflösungsvermögen. Imatest Master 4.3 bestätigt in der Bildmitte einen Wert von 4,9 Pixel/Cycle.

Kombiniert wird der Sensor mit einem aktuellen Digic-8-Bildprozessor, wie er auch in der EOS R zum Einsatz kommt. Entsprechend bietet die EOS RP einen ISO-Bereich von ISO 100 bis ISO 40.000. Bis ISO 3200 sind die Bilder nicht von Rauschen beeinträchtigt. Mit ISO 6400 kann man noch sehr gute Ergebnisse erzielen und selbst mit ISO 12.800 sind noch gut brauchbare Resultate möglich (immer auch abhängig davon, ob man die hohen Werte bei einigermaßen guten Lichtverhältnissen nutzt, um auf kurze Zeiten / kleine Blenden zu kommen, oder um bei wenig Licht gerade noch Aufnahmen machen zu können.) Bei den noch höheren Werten gehen Details verloren und die Störungen werden deutlich sichtbar.

Gleichzeitig kümmert sich der Digic 8 auch um den Autofokus. Es wird ein Canon-eigener Dual Pixel CMOS AF geboten, der bis EV -5 arbeiten, also auch in sehr dunklen Umgebungen noch scharf stellen können soll.

In der Praxis war es möglich, im stufenweise abgedunkelten Studio per AF ohne AF-Hilfslicht scharf zu stellen, wenn für die richtige Belichtung Blende 4, 8 Sek. und ISO 1600 eingestellt werden mussten – das entspricht etwa Lichtwert -3. Bei noch weniger Licht wurden dann nur noch sehr kontrastreiche Motivteile in die Schärfe gebracht.

Insgesamt lässt sich das aktive Messfeld an 4.779 Punkten im Sucherbild positionieren, womit rund 88  x 100 % (H x B) abgedeckt werden. Auch wenn in der Höhe 12 % fehlen, kann man die Schärfe fast immer auf Motivteile am Bildrand legen.

Man kann mit einem Messfeld arbeiten, mit einem Messfeld, das von vier oder acht Hilfsmessfeldern umgeben ist sowie auch mit Messfeldgruppen, und wenn auf ein sehr  kleines Detail fokussiert werden muss, steht auch ein sehr kleines Messfeld (Spot-AF) zur Verfügung.

Die AF-Funktionen  werden durch Gesichts-AF und Augenerkennung erweitert. Gesichter wurden sehr in der Schärfe gehalten, wenn sich ihre Position im Bildfeld veränderte.

Die Augenerkennung funktionierte in den meisten Fällen sehr gut, hatte aber auch einige Aussetzer bei nicht so guten Lichtverhältnissen.

Mit nur 0,05 Sek. Fokussierdauer soll die EOS RP die aktuell schnellste Vollformatkamera sein – aber das sind Labormesswerte. Für den Fotoalltag und das Fotografieren „richtiger Motive“ lässt sich einfach feststellen, dass der Autofokus der Canon EOS RP sehr, sehr schnell ist.

Ebenfalls im Angebot: Fokus-Bracketing. Die Funktion wird im Aufnahme-Menü 5 aktiviert. Dabei legt man fest, wie viele Aufnahmen gemacht werden sollen (2 bis 999) und wie groß die Entfernungsschritte zwischen den Aufnahmen sein sollen. Die entsprechende Skala reicht von 1 bis 10 – ein bisschen Pröbeln ist angesagt, um die passende Einstellung zu finden. Das Ergebnis sind Einzelaufnahmen mit unterschiedlichen Schärfenebenen. Aus diesen Bildern sucht man heraus, was gefällt – oder man lässt alle in einem externen Programm zu einem Bild mit durchgehender Schärfe verrechnen (Fokus-Stacking). In der Kamera geht das leider nicht. Aber wie kann man heutzutage so schön sagen: Kommt Zeit, kommt Firmware-Update … warten wir ab, ob diese Funktion irgendwann einmal nachgeliefert wird.

Mit Schärfennachführung schafft die Canon EOS RP die in den technischen Daten versprochenen 4 B/Sek., ohne sind es 5 B/Sek. Andere sind deutlich schneller – aber schon 4 B/Sek. werden im Fotoalltag nicht allzu oft wirklich gebraucht.

Weil wir gerade bei bewegten Bildern sind: Mit der Canon RP kann man mit 4K 25p filmen, allerdings wird nur ein APS-C großer Teil des Sensors genutzt und es kommt ein Crop-Faktor von 1,6x ins Spiel. Wer beim Filmen die Original-Bildwinkel seiner Objektive nutzen möchte, kann Videos in Full-HD mit 60 fps aufnehmen. Für Movies gibt es auch einen 5-Achsen-Stabilisator, der elektronisch funktioniert und sich beim Fotografieren vornehm zurückhält.

All die Technik, von der bis hierher die Rede war, steckt in einem eher zierlichen Gehäuse, das gerade mal 440 g auf die Waage bringt (die EOS R wiegt 660 g, die Panasonic Lumix S1 1120 g – jeweils ohne Objektiv).

Der Handgriff ist zwar schmal, liegt aber gut in der Hand. Wenn diese groß ist, wie etwa bei mir, findet der kleine Finger keinen Platz mehr. Als Abhilfe gibt es die „Bodenplatte“ EG-E1, die das ganze Gehäuse zwar höher macht, aber darauf verzichtet, einem zweiten Akku Platz zu bieten.

Charakteristisch für die RP ist der flache Sucheraufbau, neben dem rechts das Betriebsartenwählrad sitzt. Auf den Statusmonitor, der bei der EOS R diesen Platz einnimmt, wurde verzichtet, wie auch auf den „Einstellbalken“  (weltläufiger „Touchbar“ genannt). Beides habe ich nicht vermisst, wohl aber den kleinen Joystick zur Positionierung des AF-Feldes bzw. der AF-Feld-Gruppe, den ich von der EOS 5D Mark IV und einigen anderen Kamera gewohnt bin. Der Platz dafür wäre da.

Man kann als Abhilfe die Vierrichtungswippe so konfigurieren, dass man mit ihrer Hilfe das AF-Feld verschieben kann – verzichtet dann aber darauf, vier andere Funktionen mit der Wippe aufrufen zu können.

Apropos konfigurieren: Man kann sich die EOS RP sehr gut so zurechtschnitzen, wie man sie möchte. Nicht nur den Tasten auf der Kamera, sondern auch dem Steuerring an AF-Objektiven (oder dem entsprechenden EF/RF-Adapter) lassen sich Aufgaben zuweisen. In meinem Fall wurde die wenig genutzte [AF ON] Taste so belegt, dass per Tastendruck die Touch-Pad-Funktion für den Monitor aktiviert wurde. Nun konnte ich auch mit der Kamera am Auge das AF-Messfeld mit dem Finger auf dem Touchscreen-Monitor verschieben. Mit dem Steuerring stellte ich die Korrekturfaktoren ein.

Der Monitor kommt auf eine Diagonale von 3 Zoll und löst mit 1,04 Millionen Dots auf. Hier wäre ein bisschen mehr besser, aber die Werte sind durchaus in Ordnung. Wichtig: Der Monitor kann nach links geschwenkt und um die Längsachse gedreht werden. Vlogger und Selfie-Fans werden sich freuen – aber auch für uns andere ist der beweglich gelagerte Monitor sehr praktisch!

Beim Suchermonitor kommt OLED-Technik zum Einsatz. Seine Auflösung liegt bei momentan weit verbreiteten 2,36 Millionen Dots – er liefert ein gestochen scharfes Bild. Mit einer Vergrößerung von 0,7x ist die Canon EOS RP nicht ganz vorn, aber weit vorn dabei.

Noch einmal zurück zum Betriebsartenwählrad. Hier kann man die PASM-Funktionen aufrufen, in der Position SCN zu den 12 Motivprogrammen gelangen und die Moviefunktion aktivieren (4K, Full-HD und HD stehen zur Wahl). Außerdem kann man auch bei der EOS RP die flexible Automatik aufrufen, die erstmals in der EOS R zu finden war.

Flexible Automatik heißt, dass man sehr schnell zwischen den Einstellungen von Verschlusszeit, Blende, Empfindlichkeit und Korrekturfaktor wechseln und damit sehr schnell auf unterschiedliche Situationen reagieren kann! Im Laufe des Praxistests entwickelte sich Fv zu einer oft gebrauchten Einstellung.

Für die Belichtungsmessung bietet die EOS R neben Mehrfeld- und mittenbetonter Integralmessung zwei Möglichkeiten, die Belichtung auf kleine Partien im Motiv abzustimmen. Die Selektivmessung erfasst ca. 5,5 % des Bildfeldes, die Spotmessung ca. 2,7 %. Leider ist das Spotmessfeld nicht an das aktive AF-Feld  gekoppelt.

Die Belichtungsmessung ist zuverlässig, aber natürlich weiß auch die gute Mehrfeldmessung nicht, worauf es dem Fotografen ankommt. Das Live-Histogramm im Sucher oder auf dem Monitor und die Wahl der Korrekturfaktoren per Steuerring sind gute Hilfen, um schnell zum richtigen Ergebnis zu kommen. Sollte es dann doch nicht das ganz richtige Ergebnis sein, ist die Korrektur kein Problem, wenn man die Bilder (auch) im RAW-Format speichert.

Fürs Speichern steht ein Slot für SD-Karten zur Verfügung, der mit dem Fach für den Akku kombiniert ist. Diese ärgerliche Unsitte greift immer weiter um sich. Dagegen ist es zu loben, dass eine Ladeschale für den Akku mitgeliefert wird. Man kann also mit einem Zweitakku (immer empfehlenswert) fotografieren, während der andere gerade geladen wird. Machen Sie das mal mit einer Kamera, in der der Akku per USB-Anschluss geladen wird. Auch zu loben: Den Akku LP-E17 kennt man von der EOS M
und einigen DSLR-Modellen (gut beim Auf- oder Umstieg).

Wie es sich für aktuelle Kameras gehört, sind USB (2.0, während die EOS R 3.1 bietet) und WLAN an Bord und man kann die Kamera über die Canon Camera Connect App teilweise fernsteuern. Wieso man die Betriebsart nicht einstellen kann, ist nicht so recht nachvollziehbar …

Alles in allem ist die Canon EOS RP eine sehr gute Ausbaustufe im Programm der neuen spiegellosen Vollformatkameras. Viele Canon-Fans, die angesichts des Preises der Canon EOS R von solch einem Schritt Abstand genommen haben, werden nun eher über einen Wechsel ins DSLM-Lager nachdenken, zumal die EF-Objektive per Adapter ohne Einschränkungen verwendet werden können. Die EOS RP ist eine kleine Top-Kamera mit einem Top-Preis-Leistungsverhältnis!

 

BEWERTUNG FÜR DIE CANON EOS RP

GUT – SEHR GUT – HERVORRAGEND – HERVORRAGEND PLUSHERVORRAGEND DOPPEL PLUS

d-pixx testlogo Hervorragend ++

 

 

 

Text und alle Bilder © Herbert Kaspar

 

PRAXISBILDER

Ein Klick auf eines der Praxisbilder bringt es in der Größe von 3000 x 2000 Pixeln auf Ihren Bildschirm. Die Bildgröße wurde im aktuellen Adobe Photoshop reduziert.

An den Bildern wurde außer in einigen Fällen eine Tonwertkorrektur keine Bearbeitung vorgenommen.

Beachten Sie bitte, dass die Bildqualität, besonders die Farbwiedergabe, auch von den Einstellungen Ihres Monitors abhängt!

 

Canon EOS RP mit Canon RF 24-105 mm F4 L IS USM

 

@ 47 mm | ISO 100 | F5.0 | 1/400 Sek
@ 105 mm | ISO 100 | F5.6 | 1/160 Sek
@ 105 mm | ISO 100 | F8 | 1/160 Sek
@ 70 mm | ISO 320 | F8 | 1/640 Sek
@ 200 mm | ISO 320 | F8 | 1/640 Sek
@ 50 mm | ISO 100 | F 5.0 | 1/25 Sek

 

ISO-REIHE

Das erste Bild zeigt den Aufbau im Studio, der wie immer mit einer Tageslicht-Fotoleuchte beleuchtet wurde. Die Helligkeit entspricht etwa EV 7.

Die weiteren Bilder sind 100-%-Crops aus den Originalbildern.

Alle Aufnahmen der ISO-Reihe: Canon RF 24-105 mm F4 L IS USM @ Brennweite 50 mm | F8
ISO 400
ISO 3200
ISO 6400

 

Dieser Praxistest wurde zuerst in der Printausgabe d-pixx foto 2/2019 veröffentlicht.