Zur photokina 2016 vorgestellt kommt sie jetzt in den Handel: die Fujifilm GFX 50S und das Start-Trio der Objektive. Ich konnte sie schon ausführlich in der Praxis testen.
Im Sommer 2015 setzten sich einige Entscheider von Fujifilm zusammen und dachten über eine digitale Mittelformatkamera nach. Als festgelegt werden sollte, welche Features die Kamera unbedingt mitbringen sollte, wurden Profifotografen hinzugezogen. Das waren zum einen Profis, die bereits mit Kameras der Fujifilm X-Serie arbeiteten, zum anderen auch solche, die im Mittelformat zu Hause waren – egal ob mit analogen oder digitalen Kameras.
Ein Jahr später wurden die ersten Modelle bereits getestet und zur photokina 2016 wurde das GFX-System – ein Gehäuse, sechs Objektive (bis Ende 2017) und Zubehör – präsentiert und fand viel Beachtung. Auch der Preis. Fast überall war die Rede von einem Preis unter 10.000 € – obwohl auf der Pressekonferenz von deutlich unter 10.000 € als Einstieg die Rede gewesen war. Und so ist es auch gekommen. Für eine Kamera, bestehend aus Gehäuse und 2,8/63-mm-Standardobjektiv liegt die unverbindliche Preisempfehlung bei 6.999,- € + 1.599,- € = 8598,- € (Sie wissen: UVPs nennt man die Preise, die der Handel schnellstmöglich unterbietet.) Aber lassen wir die Preise erst einmal beiseite und schauen, um welche Kamera es eigentlich geht, und wie sie sich in der Praxis schlägt. Ich konnte die GFX und die drei Objektive, die als erste auf den Markt kommen, einige Stunden lang ausprobieren.
Zu Zeiten der analogen Mittelformatkameras gab es “das Mittelformat” eigentlich gar nicht. Es gab den Klassiker 6 x 6 cm, das kleine Mittelformat 4,5 x 6 cm und die größeren Formate 6 x 7 cm und 6 x 9 cm. (Dass diese Größenangaben gerundet sind und die Negative oder Dias in echt etwas kleiner waren, lassen wir einmal außen vor.)
Auch das digitale Mittelformat ist vielseitig. So sind beispielsweise die Sensoren in den Rückteilen von Phase One oder Leaf zwischen 44 x 33 mm und 53,9 x 40,4 mm groß. Auch die Sensoren der Hasselblad H6D-Modelle (DSLRs) weisen solche Größen auf, und in der DSLR Leica S2 kommt ein 45 x 30 mm großer Chip zum Einsatz.
Bei der Entwicklung der Fujifilm GFX entschied man sich für einen 43,8 x 32,9 mm großen Sensor, der einerseits eine hohe Auflösung mit großen Pixeln möglich macht, andererseits aber in einem verhältnismäßig kompakten Gehäuse Platz findet, das in der Größenordnung einer DSLR vom Schlag einer Canon EOS 5D Mark IV oder Nikon D500 liegt.
Auf der Sensorfläche von rund 1440 mm² hat Fujifilm 51,4 Mio. Pixel untergebracht und die Bilder sind maximal 8256 x 6192 Pixel groß (wie auch bei der Pentax 645Z) . In dieser Auflösungsklasse spielen auch die Canon Top-Modelle EOS 5DS und EOS 5DS R. Allerdings sind deren Sensoren mit 864 mm² ein Stück kleiner.
Da Mittelformatsensoren größer sind als das Kleinbildformat oder Vollformatsensoren, muss man beim Crop-Faktor umdenken. Während man bei den kleineren APS- und mFT-Sensoren mit einer scheinbaren Brennweitenverlängerung rechnen muss, ergibt sich im Mittelformat eine scheinbare Brennweitenverkürzung.
Bei der Fujifilm GFX 50S liegt der Crop-Faktor bei 0,79x. Das Standardobjektiv mit 63 mm Brennweite entspricht also vom Bildwinkel her einem 50-mm-Kleinbildobjektiv. Anders ist die Sache bei der Schärfenzone. Hier muss man das 2,8/63 mm der Fujifilm mit einem 2,2/50 mm im Vollformat- und mit einem 1,4/35 mm im APS-System gleichsetzen.
Der Sensor der GFX 50S ist zwar eine Neuentwicklung, aber kein X-Trans-Sensor, wie man ihn aus den X-Modellen kennt. Entsprechend gibt es keine besondere Anordnung der Farbfilter vor den Pixeln, sondern es kommt das bekannte Bayer-Pattern zum Einsatz. Die Entwicklung eines X-Trans-Sensors in der gewünschten Größe hätte einfach zu lange gedauert.
Aber auch mit Bayer-Pattern macht der Sensor der Fujifilm GFX 50S eine ganz hervorragende Figur.
Die Größe der einzelnen Pixel soll natürlich dem Rauschverhalten zu Gute kommen und darüber hinaus für einen großen Dynamikumfang sorgen.
Obwohl bei meinem ersten Praxistest ein Vorserienmuster der GFX 50S zum Einsatz kam, können beide Aussagen bestätigt werden. Bis ISO 800 ist von Rauschen überhaupt nichts zu bemerken und kein noch so feines Detail wird durch irgendwelche Störungen beeinträchtigt. Auch ISO 1600 und ISO 3200 sind fast rauschfrei. In einheitlich dunklen Flächen, in denen es schnell mal grisselt, ist auch in der 100-%-Ansicht auf dem Monitor nichts davon zu sehen. Im Standardmodus stehen Empfindlichkeiten von ISO 100 bis 12.800 zur Wahl, im erweiterten Modus von ISO 50 bis ISO 102.400.
Der Dynamikumfang wird von Fujifilm mit 14 Blendenstufen angegeben, und ich habe nach den ersten Aufnahmen keinen Zweifel, dass dieser Wert erreicht wird, an den auch sehr gute Vollformatsensoren (aktuell) nicht herankommen. Im schwarz in schwarz eines Autoreifens, der im Schatten liegt, ist die Struktur in der Oberfläche nicht nur zu erahnen, sondern zu sehen.
Die besondere Form der neuen Mikrolinsen vor den Pixeln soll für eine sehr gute Ausnutzung des einfallenden Lichtes auch am Bildrand sorgen, was für hohes Auflösungsvermögen und hohe Kontraste bis zum Bildrand beitragen soll. Auch das ist in der Praxis nachvollziehbar. Die Bilder aus der GFX zeigen allerfeinste Details – bei Porträts kommt jedes Lachfältchen um die Augen des Modells präzise ins Bild, auf den blankpolierten Karossen im Automuseum wird feiner Staub sichtbar … ich hoffe, dass die Reinigungskräfte im Museum jetzt keinen Ärger bekommen.)
Zu dieser Leistung trägt bei, dass die neuen Objektive auf eine nahezu telezentrische Projektion hin gerechnet wurden. Das heißt, dass die Lichtstrahlen in einem großen Bereich des Bildfeldes senkrecht auf den Sensor fallen und auch am Bildrand nur minimal vom senkrechten Einfall abweichen. (Das ist nicht neu: Auch Olympus stellte mit den ersten mFT-Kameras nahezu telezentrische Objektive vor.)
Wie auch bei den X-Modellen ist der Sensor fest verbaut. Der Bildstabilisator wird in entsprechende Objektive verlegt, wie etwa beim neuen 120er Macro.
Die schiere Größe des Sensors macht übrigens auch Aufnahmen mit unterschiedlichen Seitenverhältnissen möglich. Auch wenn dabei Teile des Sensors nicht genutzt werden, ist der Rest immer noch größer als Kleinbild und es stehen entsprechend viele Pixel für die Weiterverarbeitung zur Verfügung. So kann man beispielsweise Bilder im Format 3:2 mit einer Auflösung von 45,4 MPix oder im Format 16:9 mit 38,6 MPix machen.
Der Sensor ist zwar das zentrale Bauteil der Kamera, aber natürlich nicht alles.
Belichtungsmessung und -steuerung? Kein Anlass zur Kritik. Es gibt die üblichen Verdächtigen: Spot-, Integral- und mittenbetonte Messung ergänzen die 256-Zonen-Mehrfeldmessung. Die kürzesten Verschlusszeiten von 1/4000 Sek. mit dem mechanischen und 1/16.000 Sek. mit dem elektronischen Verschluss konnten im Museum nicht genutzt werden, aber sie werden angeboten. Die längste Verschlusszeit liegt bei 60 Minuten, wenn man die BULB- oder TIME-Funktion wählt.
Autofokus? Sehr schnell und sehr präzise, auch wenn auf Phasendetektion ganz verzichtet wird und die Scharfstellung ausschließlich per Kontrast-AF erfolgt. Die Wahl des Fokuspunktes (maximal stehen 425 zur Verfügung) kann über den Touchscreenmonitor vorgenommen werden. Wenn die Fingerspitze zu groß ist, um genau das Detail zu treffen, das man treffen möchte, hilft der kleine Joystick auf der Rückwand weiter (den ich beim parallelen Einsatz der neuen X-T20 sehr vermisst habe). Passend zum Motiv kann man verschiedene Größen für das AF-Messfeld einstellen oder mit Messfeld-Gruppen arbeiten.
Farbwiedergabe? Sehr gut, obwohl die Beleuchtung oft kniffelig war. Kleinere Abweichungen können schon in den JPEGs korrigiert werden und natürlich erst recht, wenn man die 14 Bit RAW-Dateien entwickelt. Für die individuelle Steuerung der Farbigkeit bietet auch die GFX 50S die typischen Filmsimulationen (PROVIA, VELVIA, ASTIA usw.) , und wenn keine Farben im Bild sein sollen, stehen S/W-Modi inkl. ACROS zur Verfügung, die sehr schöne Ergebnisse bringen.
Serienbildgeschwindkeit? Laut Fujifilm 3 B/Sek., was angesichts der statischen Motive und der Arbeit mit Studioblitzanlagen nicht überprüft wurde, aber sehr glaubhaft ist. Für eine Mittelformatkamera ist das sehr gut. (Noch vor ein paar Jahren waren Sport- und Actionfotografen sehr zufrieden – und erfolgreich -, wenn sie mit einer SLR 5 B/Sek. erzielten. Das nur nebenbei bemerkt).
All die Technik steckt in einem Gehäuse, das 148 mm breit und 91 mm tief ist. Die Höhe wird normalerweise bei 113 mm liegen, weil man in der Regel den Aufstecksucher mit seinem hochauflösenden 0,5“ OLED-Monitor (3,69 Mio. Dots) einsetzen und das hervorragende Sucherbild für die Bildkomposition nutzen wird – inkl. der Informationen, die man braucht. Der Sucher gehört zum Lieferumfang.
In der Praxis sehr angenehm: Das Seitenverhältnis des Suchers liegt bei 4:3 und man sieht, wenn man das Grundformat des Sensors nutzt, das Bild formatfüllend im Sucher. Auch die Größe des Sucherbildes macht Spaß: 0,85x [@KB] – deutlich größer als bei Vollformat DSLR-Modellen.
Nimmt man den Sucher ab, ist das Gehäuse noch 95 mm hoch.
Mit Sucher wiegt es rund 935 g, ohne sind es ca. 845 g. Um XXX g schwerer wird es, wenn man den Adapter zwischen Gehäuse und Sucher setzt, der es möglich macht, den Sucher zu drehen und zu schwenken.
Weitere XXX g kommen dazu, wenn man den Batteriegriff VG-GFX1 ansetzt, der für Hochformataufnahmen eigene Einstellelemente und als Energiereserve einen zweiten Akku mitbringt. (XXX = die Werte stehen leider nicht in den technischen Daten und wiegen konnte ich die Teile während des Praxistests nicht)
Apropos Akku: Nicht neu (das gibt es woanders auch schon) aber sehr praktisch ist, dass die verbleibende Akku-Kapazität genau angegeben wird und darüber hinaus das Alter des Akkus. Das heißt, dass man genau weiß, wann der Akku nicht mehr optimal geladen werden kann und ein neuer angeschafft werden muss.
Mit oder ohne Griff: Mit der GFX 50S lässt es sich hervorragend arbeiten. Sie liegt sehr gut in der Hand, was auch dem gut geformten Handgriff geschuldet ist. Es gibt verriegelbare Einstellräder für die ISO-Werte (100 – 12.800) und Verschlusszeiten am Gehäuse und den Blendenring an den Objektiven. Es gibt Einstellknöpfe und Schalter für den direkten Zugriff auf oft genutzte Funktionen, es gibt das Quickmenü und das übersichtliche Hauptmenü, und man wird auf einem kleinen Monitor auf der rechten Gehäuseschulter über alle wichtigen Einstellungen informiert.
Natürlich gibt es auch einen Rückwandmonitor, der ruhig noch ein bisschen größer sein dürfte – aber angesichts von 3,2“ und 2,36 Mio. Dots ist das Meckern auf sehr hohem Niveau. Sehr lobenswert: Der Monitor ist beweglich angebracht und kann über die lange und kurze Seite verschwenkt werden. Auch sehr lobenswert: Die Oberfläche ist berührungssensitiv und man kann z. B. im Wiedergabemodus „durch die Bilder wischen“.
Was sonst?
- Bracketing für Belichtung, Filmsimulation, Dynamikumfang, ISO, Weißabgleich.
- 2-Achs-Wasserwaage.
- Intervallaufnahmen.
- Abgedichtet gegen Staub und Feuchtigkeit.
- Zwei Schächte für SD-Speicherkarten (SD, SDHC, SDXC, UHS-II kompatibel).
- Filmen im Full-HD-Format.
- WiFi-Modul.
- Geo-Tagging.
- Anschlüsse: USB-3, HDMI, Mikrophon, Kopfhörer, Netzkabel.
- Tethered Shooting via Software HS-V5 möglich.
Nichts Negatives? Doch. Wer den Tragegurt anbringen möchte, braucht Geduld, kleine Finger und noch mehr Geduld. Aber glücklicherweise gibt es ja ein gutes Angebot an Gurten, die im Stativgewinde angebracht werden …
Mit zum neuen System gehören neue Objektive, die in das ebenfalls neue Bajonett gesetzt werden. Von den sechs angekündigten Objektiven konnte ich das Starttrio ausprobieren:
- Fujinon GF 4/32-64 mm R LM WR (25-51 mm [@KB]) …… UVP 2.499,- €
- Fujinon GF 2,8/63 mm R WR (50 mm [@KB]) …… UVP 1.599,- €
- Fujinon 4/120 mm R LM OIS WR Macro (95 mm [@KB]) …… UVP 2.899,- €
Noch in diesem Jahr sollen drei weitere Objektive auf den Markt kommen:
- Fujinon GF 4/23 mm R LM WR (18 mm [@KB])
- Fujinon GF 2,8/45 mm R WR (35 mm [@KB])
- Fujinon GF 2/100 mm R LM WR (87 mm [@KB])
Passend zum Gehäuse sind alle Objektive gegen Staub und Spritzwasser geschützt.
Wer Objektive aus dem System der Fujifilm GX645AF im Schrank hat, kann sie mit dem H Mount Adapter G an der GFX 50S weiterverwenden. Die Scharfstellung ist allerdings nur manuell möglich.
Alles in allem
eine wirkliche Top-Kamera, an der sich viele andere messen lassen müssen. Braucht man sie? Viele Amateure, Semi-Profis und Profis können diese Frage ruhigen Gewissens mit „nein“ beantworten und sind bei der Fujifilm X-T2 und/oder X-Pro2 und den XF-Objektiven bestens aufgehoben. Wer aber auf höchsten Detailreichtum, einen sehr sehr großen Dynamikbereich, geringes Rauschen und hervorragende Farbwiedergabe Wert legt, für den ist die Fujifilm GFX 50S genau richtig.
GUT – SEHR GUT – HERVORRAGEND – HERVORRAGEND PLUS – HERVORRAGEND DOPPEL-PLUS
Text (c) Herbert Kaspar
Bilder (c) Herbert Kaspar (3 | 4 | 8), Fujifilm
Praxisbilder
Alle Aufnahmen wurden im Louwman-Museum in Den Haag gemacht. Dort stellt eine privater Sammler über 300 Fahrzeuge aus allen Epochen der Automobilgeschichte vor – darunter auch der Aston Martin, mit dem James Bond unterwegs war, oder auch zwei Fahrzeuge aus dem Film “Der Pate”. Die Präsentation der Schätzchen auf Rädern ist absolut gelungen und liebevoll. Dazu kommt jede Menge Kunst (und ein bisschen Krempel) rund ums Auto … Man muss noch nicht einmal Benzin im Blut haben, um dieses Museum toll zu finden. Die schlechte Nachricht: Die Modelle waren eigens für den Fujifilm Event gebucht. Trotzdem lohnt es sich, ein paar Stunden im Louwman-Museum zu verbringen. Weitere Infos gibt auf der Museums-Hompage.
Die Bilder entstanden mit einem Vorserienmodell der Fujifilm GFX 50S.
Ein Klick auf ein Beispielsbild bringt es in der Größe von 3000 x 2000 Pixel auf Ihren Bildschirm.
SMALL = Das Bild wurde von 8256 x 6192 Pixel auf 3000 x 2000 Pixel verkleinert!
100 % CROP = Es ist ein 3000 x 2000 Pixel großer Ausschnitt aus dem 8256 x 6192 Pixel großen Bild zu sehen!
Alle Bilder sind unbearbeitete JPEGs aus der Kamera.
Beachten Sie bitte, dass die Bildqualität, besonders die Farbwiedergabe, auch von den Einstellungen Ihres Monitors abhängt!
Alle Praxisbilder (c) Herbert Kaspar
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