Seit der ersten d-pixx vor ziemlich genau 9 Jahren ist das Lieblingsbild auf der Doppelseite 4/5 ein fester Bestandteil des Heftes. In der aktuellen Ausgabe 5/2014 (die bis zum Erscheinen der Ausgabe 6/2014 hier portofrei bestellt werden kann) stammt das Lieblingsbild von unserem freien Mitarbeiter Kai Kinghorst – aber er hat es nicht so aufgenommen, wie es zu sehen ist. Wie das fertige Bild entstand, wird im Folgenden Schritt für Schritt erklärt.

EinSchlag
EinSchlag

Kontrast

Es war ein warmer sonniger Spätsommertag, der einen schönen Sonnenuntergang versprach. So machte ich mich in freudiger Erwartung auf nach Bremerhaven. Dort angekommen sah ich mich dann aber einer dunklen Gewitterfront gegenüber. Keine Chance mehr auf die untergehende Sonne am Horizont. Gleich würde der Himmel seine Schleusen öffnen und der Regen niederprasseln. So suchte ich mir einen geschützten Unterstand, um das kommende Unwetter trocken zu überstehen.

Ich stand genau vor dem Atlantik-Hotel und beobachtete die dramatischen Wolken über dem Gebäude. Allemal ein Bild wert. Und beim Einrichten der Kamera auf dem Stativ ging dann auch meine Fantasie mit mir durch. Wäre doch super, wenn es mir gelänge einen Gewitterblitz über dem Hotel einfangen zu können. Oder besser noch einen Blitzeinschlag in die Funkantenne, die auf dem Dach thront. Nicht, dass ich das heraufbeschwören wollte. So ein Blitzeinschlag in eine Antenne hat mitunter schlimme Auswirkungen auf die Elektronik des damit verbundenen Kommunikationssystems. Aber das Bild war da und ich hatte es ziemlich klar vor meinem inneren Auge.

Bevor es auch nur blitzte und donnerte kam ein Platzregen mit ordentlich Wind im Gepäck hernieder. Der nötigte mich meinen Unterstand zu verlassen, weil ich drohte klatschnass zu werden. Ich flüchtete in ein naheliegendes Bistro und erfreute mich bei einer heißen Tasse Kaffee an diesem Erlebnis, auch wenn es nichts mit einem erhofften Sonnenuntergangsbild geworden war. Mein Gedankenbild vom Blitzeinschlag blieb und die Aufnahme vor dem Wolkenbruch befand sich sicher auf der Speicherkarte. Und so kreisten meine Gedanken auch schon um die Verwirklichung eines solchen Bildes.

Es werde Regen

Wieder zuhause überlege ich, wie ich das Bild im Kopf mit Hilfe von Adobe Photoshop realisieren könnte. Ein gutes Ausgangsbild habe ich, nun brauche ich noch starken Regen und einen Blitz. Das Ausgangsbild optimiere ich hinsichtlich gängiger Parameter (Kontrast, Farben usw.) und es dient mir als Hintergrund-Ebene.

Atlantik-Hotel Bremerhaven
Optimiertes Ausgangsbild

1. Regen simmulieren:

1.1 Ich erstelle zwei Ebenen, die untere mit Schwarz gefüllt, die obere mit Weiß. Die weiße Ebene versehe ich mit dem Füllmodus sprenkeln und mit 1% Deckkraft.

Screenshot_1_1_Regen

1.2 Beide Ebenen markiere ich und dupliziere sie zweimal. Die zweite weiße Ebene bekommt 2% und die dritte weiße Ebene 3% Deckkraft.

Screenshot_1_2_Regen

1.3 Nun vereine ich jeweils die weiße Ebene mit der darunter liegenden schwarzen Ebene. Jetzt habe ich drei gesprenkelte Ebenen über der Hintergrund-Ebene liegen. Zur besseren Orientierung nenne ich sie gemäß der Deckkrafteinstellung Regen 1-3.

1.4.1 Die Ebene Regen 3 soll später im Hintergrund liegen. Damit nun aus den Sprenklern fallende Tropfen werden, wähle ich Filter > Weichzeichnungsfilter > Bewegungsunschärfe. Mit den Reglern Winkel und Abstand simuliere ich Windrichtung und Belichtungszeit. In diesem Fall stelle ich einen Winkel von 75° und einen Abstand von 45 ein.

Screenshot_1_4_1_Regen

1.4.2 In der Tonwertkorrektur verschiebe ich den Weißpunktregler, damit sich die Striche mehr hervorheben. Anschließend vereine ich die Tonwertkorrektur mit der darunterliegenden Ebene.

Screenshot_1_4_2_Regen

1.5 Die Ebene Regen 2 soll einzelne Tropfen simulieren, die vom später folgenden Blitz “eingefroren” wurden. Zunächst skaliere ich die Ebene auf die doppelte Größe, um die Anzahl der Tropfen auf der benötigten Fläche zu reduzieren. Dann aktiviere ich eine Ebenenmaske und fülle diese mit Filter > Renderfilter > Differenz-Wolken.

Screenshot_1_5_Regen

1.6 Die Ebene Regen 1 soll ganz vorne liegen. Damit die Regenschichten später nicht zu gleichmäßig wirken, spiegle ich diese Ebene mit Bearbeiten > Transformieren> Horizontal spiegeln. Nun wende ich auch hier Filter > Weichzeichnungsfilter > Bewegungsunschärfe an. Allerdings dürfen die Tropfen jetzt ruhig durch Windböen einen veränderten Winkel haben und etwas “schneller” fallen. Einstellungen hier für Winkel 65° und für Abstand 85. Anschließend mache ich wieder eine Tonwertkorrektur zur Hervorhebung der Striche.

1.7 Alle Regenebenen schalte ich nun ein und stelle jeweils den Verrechnungsmodus auf Negativ multiplizieren. Wow … das plätschert ganz schön!

1.8 Die Perspektive in diesem Bild ist stark nach oben geneigt. Und so muss ich alle Regenebenen noch etwas trapezförmig verzerren. Zunächst bringe ich mit Auswahl > alles auswählen und Bild > freistellen alle zuvor skalierten Ebenen auf das Originalmaß zurück. Dann markiere ich in der Ebenenpalette alle Regenebenen und simuliere anschließend mit Bearbeiten > Transformieren > Verzerren einen aufsteigenden Blick.

Screenshot_1_8_Regen

Screenshot_1_9_Regen1.9 Finetuning: Die Ebene Regen 3 reduziere ich auf eine Deckkraft von 80% und erzeuge eine Maske, die ich mit einem diagonalen Verlauf versehe, damit sie nicht über die vorderen Bildobjekte wirkt und damit mehr in den Hintergrund wandert. Die Ebene Regen 2 erscheint mir ein wenig zu kräftig, daher reduziere ich deren Deckkraft auf 60% und schwäche in der Maske zudem noch ein paar zu starke Bereiche in der unteren Bildhälfte ab. Dafür verwende ich einen großen, weichen Pinsel bei einer Deckkraft von 20%.

Es werde Licht

Wer nicht über ein selbst geschossenes Bild von einem Gewitterblitz verfügt, wird im Internet fündig. Entweder in freien Stock-Galerien oder, wie in meinem Fall, im d-pixx-Forum bei Freunden. FranckM hatte ein tolles Gewitterbild gemacht und gab mir seine freundliche Erlaubnis, es für meine Montage verwenden zu dürfen.

Boouuummmmm
Boouuummmmm – Copyright by Franck Marchionni
Vielen Dank für Deine Freigabe, lieber Franck!

2. Blitz aus dramatischen Himmel:

2.1 Die Regenebenen schalte ich nun alle aus und füge das Foto vom Blitz über meine Hintergrund-Ebene ein. Damit der Blitz zu meinen Bildobjekten passt, muss ich das Bild zuerst spiegeln, etwas skalieren und mit Bild > Anpassungen > gleiche Farbe in der Farbe anpassen. Als Quelle wähle ich die Datei, die ich gerade bearbeite und darin die Ebene Hintergrund.

Screenshot_2_1_Blitz

Screenshot_2_2_1_Blitz2.2 Um den Blitz vom störenden Hintergrund zu befreien, wähle ich mit Auswahl > Farbauswahl > Lichter nur die hellen Tonwerte aus. Anschließend verbessere ich mit Auswahl > Kanten verbessern die markierten Bereiche und erstelle eine Ebenenmaske daraus. Mit dem Füllmodus Aufhellen bleibt nun nur noch der Blitz übrig. Störende oder überflüssige Teile vom Blitz male ich mit einem schwarzen Pinsel in der Maske aus.

Screenshot_2_2_2_Blitz

2.3 Mit dem Transformieren-Werkzeug biege ich mir den Blitz so hin, dass er in den Turm des Gebäudes einschlägt. In einer Tonwertkorrektur für diese Ebene verschiebe ich den Weißpunktregler, damit der Blitz deutlicher und etwas überstrahlter wirkt.

Screenshot_2_3_Blitz

2.4 In einer weiteren neuen Ebene Einschlag male ich mit einem Borstenpinsel an den “Einschlagstellen” ein paar sprühende Sprenkler.

Screenshot_2_4_Blitz

Als letzte Schritte schalte ich alle Ebenen ein und justiere sie in Ihrer Deckkraft noch ein wenig. In der Maske der Ebene Regen 2 schwäche ich noch ein paar Regentropfen ab. Und zu guter Letzt führe ich eine finale Tonwertkorrektur durch, in der ich den Mittenregler ein wenig nach rechts verschiebe. So wird das Bild etwas dunkler und der Eindruck des gleißenden Gegenlichts vom Blitz nochmal verstärkt.

EinSchlag
EinSchlag

Das donnert doch ganz kräftig und entspricht auch meinem Bild im Kopf ziemlich gut.

Copyright Foto und Text: © Kai Kinghorst

12 Kommentare

  1. Lieber Herr Kinghorst!
    Beeindruckendes Bild! Alle Achtung vor Ihren artistischen Fähigkeiten bei der Bedienung von Photoshop!
    Bevor ich mich mit dem Ablauf der Bearbeitung auseinandergesetzt habe, studierte ich den Doppelsitzer eingehend. Da schon wurde ich ein wenig skeptisch. Brennt eine Beleuchtung nach solch einem Einschlag weiter? Welch seltsame Struktur und Beleuchtung der Regentropfen?
    Mein investigativer Forschungseifer war nach der Lektüre im Netz zum großen Teil wieder befriedigt.
    Sollten Sie meine Website besuchen, werden sie meine Zeilen besser verstehen. Ein Bild ist in gewisser Weise immer eine subjektive Illusion. Ich halte mich lieber an die tatsächlichen Dinge die ich mit Auge und Optik einfangen kann. Aber, wie der Lateiner so schön sagte: Mundus vult decipi!
    Passende Übersetzung vertraue ich ihrer Neugierde oder auch dem profunden Wissen von Dr. GOOGLE an!
    Noch mal:Tolles Bild, tolle Beherrschung von Photoshop, aber nicht im Sinne von Adams, Capa und Lebeck etc.
    Nichts für ungut lieber Herr Kinghorst und liebe Grüße von einem photographischen Dino, der sich trotzdem mit digitaler Technik und Lightroom auseinander setzt!

    Gut Licht Gerhard Bauer-Schmitz

    • Lieber Herr Bauer-Schmitz,

      haben Sie vielen Dank für Ihren Kommentar.

      Ihre Loorbeeren für die Beherrschung eines Bildamnipulationsprogramms möchte ich aber nicht für mich beanspruchen. Solche Tipps und Tricks sind in entsprechenden Publikationen von Doc Baumann (docma) nachzulesen.

      Ich bin von der lateinischen Sprache immer wieder fassziniert, beherrsche sie jedoch überhaupt nicht. Gut, dass wir vernetzt sind …

      Darauf möchte ich mit zwei schönen Zitaten antworten:

      “Ich bin frei, denn ich bin einer Wirklichkeit nicht ausgeliefert, ich kann sie gestalten.” – Paul Watzlawick

      „Die objektive Ungewißheit, festgehalten in der Aneignung der leidenschaftlichen Innerlichkeit, ist die Wahrheit, die höchste Wahrheit, die es für einen Existierenden gibt.“ – Søren Kierkegaard

      Viel liegt auch am Licht …
      Grüße Kai Kinghorst

      • Lieber Herr Kinghorst!

        Vielen Dank für Ihre freundliche Antwort! Bin ebenfalls ein großer Fan von Paul Watzlawick insbesondere von seinem “Anleitung zum Unglücklichsein”!
        Die Erklärung zu meiner Skepsis auf solche Kompositionen rührt größtenteils daher, daß ich das Bild eigentlich sofort vor mir haben möchte und mir die bewundernswerte Vorstellungskraft von Ihnen abgeht, sich so ein tolles Bild im Kopf “auszumalen”.
        Ist sicher auch aus der Zeit begründet, als ich schon als 12jähriger in meiner Dunkelkammer saß und mit Ungeduld auf das im Entwickler liegende Fotopapier starrte. Hab ich richtig belichtet oder nicht!?
        Nochmals vielen Dank für Ihre liebenswerte Antwort

        Gerhard Bauer-Schmitz

  2. Sehr schöne Seite, Herr Bauer-Schmitz… gefällt mir gut.

    Nur schade, dass die Fotos der Galerie allesamt so winzig sind. Imho, bei der Fotografie ist weniger nicht unbedingt mehr… wecken Sie nicht unsere Neugier, befriedigen Sie sie ;-).

    Liebe Grüße aus Felix Austria.
    Thomas Wolff

    ————–
    PS: Dank an Herrn Kinghorst für das “Making of”. Wir können davon nur lernen!

  3. Lieber Herr Wolff!
    Vielen Dank Für Ihre aufmerksame Beobachtung. Da ich genau dieses Problem auch schon erkannt habe, bin ich gerade an einer Erweiterung und Umgestaltung meiner Website. Hoffe dieses Vorhaben in nicht allzu ferner Zukunft geschafft zu haben und würde mich dann auf eine neue Nachricht und neue Beurteilung durch Sie sehr freuen!
    Liebe fotografische Grüße und Gut Licht aus dem schönen Passau

    Gerhard Bauer-Schmitz