Der Weg zur Arbeit als Motiv

Mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren ist gesund, spart Sprit, und wenn man die Augen offen hält und eine Kamera dabei hat, findet man viele Motive.

Das Licht war wunderbar und wie geschaffen für stimmungsvolle Landschaftsaufnahmen. Aber ich hatte mal wieder keine Zeit, weil ich mit dem Auto auf dem Weg zur Arbeit war. Diesen Umstand erlebte ich nur allzu oft. Also beschloss ich irgendwann, auf das Rad umzusteigen. Meine kleine System-Kamera und ein leichtes Reisestativ sind ideale Begleiter und lassen sich leicht verstauen.

Der kürzeste Weg führt mich durch einen der schönsten Parks Bremens, entlang der Lesum. Ich passe meine Startzeiten den jahreszeitlichen Begebenheiten an, um zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Im Laufe einer Saison bekam ich ein Gespür, wann ich wo sein muss. Das hilft mir, in der wenig zur Verfügung stehenden Zeit meine Bild-Ideen zu realisieren.

Guten Morgen Vegesack
100 mm [@KB], ISO 200, 1:5, 1/320 Sek., 9 Aufnahmen, freihand
Meine tägliche Radtour beginne ich in Lemwerder, an der Weser, auf der gegenüberliegenden Seite von Bremen-Vegesack. Schon das Warten auf das Fährschiff brachte mir manch tolles Bild ein und auch Panoramen sind in der kurzen Zeit machbar. Mit Blick auf das andere Weserufer, begrüßt mich die Morgensonne über Bremen-Vegesacks Skyline. Schnell die Kamera aus der Packtasche gefummelt, das Zoomobjektiv auf 100mm [@KB] eingestellt, den Bildausschnitt mit dem größten Helligkeitsanteil mit Mehrfeld angemessen, im manuellen Modus Blende 5 bei ISO 200 mit einer leichten Überbelichtung eingestellt und die Schärfe auf die Gebäude gespeichert. Links angefangen und immer schön im Hochformat mit einer Drittelüberlappung ein Bild nach dem anderen nach rechts drehend aufgenommen. Darauf achtend, dass der Horizont im Sucher immer an der gleichen Stelle bleibt. Fertig. Und schon ist die Fähre da. – Los geht’s.

Während der Fährüberfahrt hat man kurz einen schönen Blick in die Lesum-Mündung und auf das Schulschiff Deutschland. 85 mm [@KB],  1/340 Sek. bei f/8,0 / ISO 200
Während der Fährüberfahrt hat man kurz einen schönen Blick in die Lesum-Mündung und auf das Schulschiff Deutschland.
85 mm [@KB], ISO 200, 1:8, 1/340 Sek.
Während der Fährüberfahrt erblicke ich rechts die “Schulschiff Deutschland”. Sie hat als Museumsschiff in der Lesum-Mündung ihren festen Ankerplatz gefunden. Dort beginnt meine eigentliche Tour, sieben Kilometer am Ufer der Lesum entlang. Doch zuvor muss ich noch die 42 m lange, stählerne Fußgängerklappbrücke, die seit 1999 über das Vegesacker Hafenbecken führt, überqueren. Wenn sich über ihr der Himmel durch die Morgenröte verfärbt, erscheint mir die Brücke wie das Tor zu einem Weg in einen viel versprechenden, neuen Tag.

Als sich mir der Himmel so farbenprächtig bot, konnte ich nicht anders, als mein kleines Reisestativ vorsichtig auf den mittig vor der Brücke aufgestellten Betonpfeiler aufzusetzen, um ein Bild zu machen.
34 mm [@KB], ISO 100, 1:11, 20 Sek.
Wenn an manchen Tagen der Frühnebel besonders dicht ist und noch durch den Vegesacker Hafen wabert, komme ich nicht daran vorbei ein paar Fotos zu schießen. Hier treffe ich auf architektonische Motive, die sich thematisch völlig von den sonst landschaftlichen Motiven unterscheiden. Eine willkommene Abwechslung, noch bevor ich richtig losradeln kann.

Vegesack im Nebel
28 mm [@KB], ISO 64, 1:2,5, 1/80 Sek.
Möchte ich allerdings im Knoops Park das schöne Morgenlicht erleben, muss ich mich beeilen und etwas in die Pedale treten. Der 65 Hektar große Park schließt Gutshäuser und großzügige Freiflächen in alte Baumbestände ein. Aussichtspunkte am hoch gelegenen Lesumhang, wie zum Beispiel die Jünglingshöhe, bieten einen unvergleichlichen Blick über den Fluss.

Alte Bäume filtern den Morgendunst, der sich, von der aufgehenden Sonne illuminiert, wie ein mystischer Schleier über die beliebte Lichtung der Jünglingshöhe legt. FUJIFILM FinePix S6500fd / 9,3 mm (42 mm @KB) / 1/60 Sek. bei f/8,0 / ISO 200
Alte Bäume filtern den Morgendunst, der sich, von der aufgehenden Sonne illuminiert, wie ein mystischer Schleier über die beliebte Lichtung der Jünglingshöhe legt.
42 mm [@KB], ISO 200, 1:8, 1/60 Sek.
Unterhalb der Jünglingshöhe, von der Spitze einer in der Lesum liegenden Halbinsel hat man einen herrlichen Blick stromaufwärts. Zudem liegt sie geografisch günstig, um dort den Sonnenaufgang zu erwarten. Ich suche diesen Ort häufig auf, denn nur wenn Wetter und Zeitpunkt stimmen, offenbart sich dieser kurze Moment in seiner ganzen, stimmungsvollen Pracht.

Von der Spitze der Halbinsel hat man einen herrlichen Blick stromaufwärts über den gemächlichen Fluss. Zudem liegt sie geografisch günstig, um von dort den Sonnenaufgang zu erwarten. Panasonic DMC-G2 / 7,5 mm (15 mm @KB) / 1/30 Sek. bei f/11 / ISO 100
Von der Spitze der Halbinsel hat man einen herrlichen Blick stromaufwärts über den gemächlichen Fluss. Zudem liegt sie geografisch günstig, um von dort den Sonnenaufgang zu erwarten.
15 mm [@KB], ISO 100, 1:11, 1/30 Sek.
Die Halbinsel erreicht man über eine Brücke, die im Frühjahr ein von mir gerne fotografiertes Motiv geworden ist. Gesäumt von zwei Weiden, die nach dem Winterschnitt nun wieder ausschlagen, bildet sie einen geheimnisvollen Zugang auf die Landzunge.

BrückenWächter Panasonic DMC-G2 / 14 mm (28 mm @KB) / 1/15 Sek. bei f/8,0 / ISO 100
BrückenWächter
28 mm [@KB], ISO 100; 1:8, 1/15 Sek.
Auf meinem Weg komme ich auch an meinem Lieblingsbaum vorbei. Es ist ein kleiner, zierlicher Maronenbaum (Esskastanie). Er steht aus fotografischer Sicht etwas unglücklich am Rand einer kleinen Mauer und rechts und links zwischen größeren Bäumen eingezwängt. Außerdem hat sein Stamm eine “geknickte” Form die fast wie Körpersprache wirkt. Für mich eine Herausforderung diesen Lebenskünstler freizustellen und würdevoll abzulichten. Unzählige Male hatte ich das Bäumchen in den Sucher genommen, aber erst die richtige Wetterlage, ein Nebelmorgen, brachte mir mein Lieblingsbild.

KnicksBaum Panasonic DMC-G2 / 17 mm (34 mm @KB) / 1/4 Sek. bei f/11 / ISO 100
KnicksBaum
34 mm [@KB], ISO 100, 1:11, 1/4 Sek.
Die Suche geeigneter Motive führte mich auch zu recht komplexen Bildkompositionen. Ein kleiner Anleger zog mich immer wieder an. Die gelben Dalben, die die Landungsbrücke flankieren, brachten mich auf die Idee für ein 360°-Panorama. Den geeigneten Aufnahmestandort hatte ich schnell gefunden und dabei entschieden, dass der Anleger das zentrale Element im Bild werden musste. Schwierig war, dass ich das Stativ am Rand des Anlegers aufstellen musste und der Ponton schwankte. Ich brauchte drei Anläufe, bis das Licht mitspielte und ich die Technik beherrschte, mich und meinen Schatten zwischen den Einzelaufnahmen zu verstecken.

Anleger Burg Lesum
15 mm [@KB], ISO 100, 1:11, 1/1250 Sek., 24 Aufnahmen, 360°, Stativ, Nodalpunktadapter
Das letzte Stück meiner Tour kommt mir zuweilen etwas langweilig vor. Aber auch hier ergeben sich im entsprechenden Morgenlicht unverhofft Motive, die mich immer wieder innehalten lassen. Oh, schon so spät? Nun muss ich aber weiter.

Guten Morgen
84 mm [@KB], ISO 100, 1:8, 1/500 Sek.
Ich investiere täglich ca. 30 bis 45 Minuten mehr Fahrzeit für meine Fotoaktivitäten. Ein vergleichsweise geringer Aufwand, denn so gewinne ich Zeit für mein Hobby und brauche den morgendlichen Lichtstimmungen nicht mehr nachzutrauern.

Ich bin sicher, dass nicht nur mein Arbeitsweg solche Möglichkeiten bietet.

Kai Kinghorst

Copyright Fotos und Text: © Kai Kinghorst

6 Kommentare

  1. Hallo Kai,

    SUPER-Bericht !
    Auch ich fahre die Strecke St-Magnus – StahlwerkeBremen bei gutem Wetter gerne mit dem Fahhrad KnoopsPark u. am Deich lang. (Irgendeine Knipse habe ich immer dabei ;-)) )
    Nicht täglich – aber möglichst oft. Bin leider ein Schönwetterfahrer.
    Und leider müsste ich auch etwas mehr Zeit einplanen, um die schönen Momente in Ruhe abzulichten – wenn ich um 07:30 Uhr da durchfahre ist’s meistens schon zu spät.

    Fazit: Du hast mir mit dem Bericht aus der Seele gesprochen.

    Gruss

    Olli

    • Hallo Garcia,

      Danke! Ja, es ist schon ein schöner Weg. Aber ich bin mir wirklich sicher, dass viele Wege zur Arbeit müßiggängerisch und fotografisch etwas zu bieten haben. In der Stadt könnte ich mir sehr gut Architektur, Streetlive oder zufällige Arrangements als Thema vorstellen. Einfach mal ausprobieren, sofern der Weg per Rad möglich ist.

      Gruß Kai