Hallo an alle,
es war nicht unbedingt verwunderlich, dass zu diesem Themenwettbewerb wieder weniger Bilder als zu einem offenen Wettbewerb eingereicht wurden. Das Erfreuliche dabei: Eigentlich alle Fotos, die ich dann zur Jurierung bekommen habe, haben das Thema getroffen.

Dazu noch ein Tipp von mir, ich kann mich da nur immer wieder wiederholen: Es macht überhaupt keinen Sinn, einen x-beliebigen Photoshop-Mal-Filter (oder einen Luminar- / Affinity Photo-Filter) auf ein Foto anzuwenden und dieses dann als Wettbewerbsbeitrag einzureichen. Ein Foto wird dadurch überhaupt nicht besser und erreicht in der Wertung (zumindest bei mir) genau das Gegenteil des Beabsichtigten … auch wenn dies bei Wettbewerben eines großen deutschen Amateurfotografen-Verbandes manchmal anders sein mag / anders war. Da ich generell keine Bilder “verreiße”, zeige ich diese Wettbewerbs-Beiträge hier nicht und möchte einfach nur mitteilen: Bitte lasst so etwas, es bringt einfach nichts.

Und noch ein Tipp: Ich würde auch generell keine Fotos zu einem Wettbewerb einreichen, die eher in die  Gruppe “Urlaubsfoto aus dem Handgelenk geschossen”, also als Beispiel einer der Klassiker “Touristengruppe vor dem Gebirgssee mit malerischen Hintergrund” oder “die Kleine vor unserer Ferienunterkunft” im Mal-eben-im-Vorbeigehen-geschossen-Stil. Bei Fotowettbewerben ist Kreativität gefragt und da erzielt ein solches Foto beim allerbesten Willen der Jurorinnen und Juroren meist (eigentlich immer) nicht einen einzigen Punkt.

Ich verneige mich…

…vor so viel Kreativität. Ich möchte daher an dieser Stelle mit meiner persönlichen Nummer 1 anfangen und dadurch einfach meinen Respekt vor diesem großartigen Foto zeigen. Es ist letztendlich aus einer relativ unspektakulären Situation/Szenerie entstanden und würde doch aus dem Stand als Buchcover oder als groß gezeigtes Eröffnungsmotiv für einen Illustrierten-Artikel funktionieren. 9 von 10 Fotografen hätten hier nach Öffnung der Blende auf die Personen scharf gestellt und den Zug nach rechts in die Unschärfe verlaufen lassen. Der Fotograf dieses Fotos hat es genau anders herum gemacht und erzielt dadurch so viel Tiefe und Atmosphäre, weil alles, was in diesem Bild die Story ausmacht, eben in der deutlichen Unschärfe liegt und dadurch etwas Geheimnisvolles bekommt. Die Tonung sorgt dann dafür, dass hier endgültig alles zusammen passt. Den Holm ganz rechts am Bildrand hätte ich persönlich noch weg genommen und eventuell die Reflexionen in der Scheibe gemildert, aber das ist jetzt Jammern auf ganz hohem Niveau. Der Atmosphäre des Bildes schadet das nicht.

Fluchtpunkt

Ein Foto, das (ich weiß es jetzt durch eine Mail aus der Redaktion von Heidi) sehr weit vorne gelandet ist, zeigt einen klassischen “Fluchtpunkt-Schuss”. Ich habe es nicht so hoch bewertet wie Maria und Herbert, weil mir die Geometrie nicht so wirklich zusagte und mir das Bild für ein Top-Wettbewerbsfoto insgesamt “etwas zu bunt ist”. Das ist sicherlich auch meinem persönlichen Geschmack geschuldet, aber durch meinen Job in der Werbebranche orientiere ich mich nun mal automatisch an Looks, die mir häufig begegnen. Man sieht hier als erstes das eingereichte Foto, bei dem der Schnittpunkt der beiden Führungslinien relativ weit in der Bildmitte liegt.

Auch, wenn die Regel nicht unbedingt Allgemeingültigkeit hat, würde ich hier so schneiden, dass der Schnittpunkt etwas nach oben und etwas nach links rückt, der Bildaufbau wirkt dadurch etwas harmonischer.

Jetzt kommt mein ganz persönlicher Geschmack. Ich habe das Bild insgesamt leicht entsättigt und dann noch etwas Wumms reinkorrigiert. Ich mache das häufig, indem ich eine Einstellungsebene vom Typ “Schwarz/Weiß” anlege und den Modus dieser Ebene dann auf “Weiches Licht” oder “Ineinanderkopieren” stelle. Das erhöht einerseits den Kontrast und bringt immer eine Entsättigung mit sich, weil dabei ja eine farbige Ebene mit einer schwarz/weißen Ebene verrechnet wird.

Zentralperspektive

Wenn man ein Foto zum Wettbewerb einreicht, dessen deutliches Merkmal eine Zentralperspektive ist, dann muss das Bild von der Geometrie her auch wirklich symmetrisch sein. “Ein bisschen zentralperspektivisch” ist wie “ein bisschen schwanger” :). Dazu kommt, dass dann auch eine eventuelle perspektivische Verzeichnung gleichmäßig sein muss … das eingereichten Bild ist gefühlt einen Hauch schief.

Ich habe das hier mal korrigiert und dabei das ursprüngliche Seitenverhältnis des Bildes so gut wie beibehalten. Der neue Anschnitt spielt mir sogar noch ein bisschen in die Karten, weil die diagonalen Linien am oberen Bildrand jetzt gleichmäßig auftreffen.

Auch, dass ich durch das Beibehalten des Seitenverhältnisses unten etwas wegschneiden muss ist eher ein Vorteil als ein Nachteil … ich bekomme dadurch den gefühlten Horizont etwas aus der vertikalen Mitte und insgesamt ein harmonischeres Foto.

Die Schöne im See…

Beim nächsten Wettbewerbsbeitrag hat der Fotograf sein “recht dünn” bekleidetes Model sehr schön in eine so gut wie symmetrische Szenerie gestellt. Schade ist hier, dass das Model fast zu 100 % im Schatten steht und so der warme Hautton im eher kalten Umfeld kaum zur Geltung kommt.

Ich würde daher hier umgekehrt vorgehen … also versuchen, der Szenerie noch mehr Farbe zu entziehen, damit das Model durch seine wenige verbliebene warme Farbe etwas weiter nach vorne kommt. Im professionellen Bereich macht man das eigentlich immer so, dass man eine (oder mehrere) Korrektur-Ebene(n) über das gesamte Bild legt und diese dann erstmal mit einer schwarz gefüllten Ebenenmaske komplett wieder ausblendet. Mit einem weichen Pinsel malt man dann mit weißer Farbe in der schwarzen Ebenenmaske die Korrekturen an den Stellen rein, an denen man sie haben möchte.

In Photoshop sieht das dann so aus: Mit einer Einstellungsebene vom Typ “Farbton/Sättigung” nehme ich die Farbe erstmal komplett aus dem Bild heraus (links im Screenshot) und mit einer schwarzen Maske blende ich die Korrekturebene dann wieder vollständig aus (rechts im Screenshot). (Nur am Rande: In diesem Fall wäre es allerdings sinnvoller, es umgekehrt zu machen, weil ja fast das komplette Bild entsättigt wird. Also Entsättigung über das gesamte Bild und in der Ebenenmaske dann das Model herausmalen, damit der farbige Hautton erhalten bleibt). Die Deckkraft der entsättigenden Ebene stelle ich später auf 70%, damit das Umfeld nicht komplett schwarz/weiß wird.

Ich habe dann noch zusätzlich das Model mit Korrekturen > Tiefen / Lichter in den Tiefen etwas aufgehellt und den zu neutralen Bereichen mit einem Pinsel im Modus “Farbe” etwas mehr Hautton gegeben. Zuletzt habe ich das Bild noch unter Beibehaltung des Seitenverhältnisses etwas enger geschnitten. Man könnte jetzt zusätzlich noch etwas vignettieren,… ich finde das Bild aber auch ohne Vignette sehr schön. Mein Ergebnis sieht dann so aus :

Wo ist “der Tupfer”… ???

Ja, ich weiß … solche Fotos muss man mögen… und ich mag sie!!! Banale Architektur-Fotografie hat und hatte in der Fotokunst schon immer ihre Reize und hier wird eine (ich bin jedenfalls sicher, das es eine ist) sehr große Fläche einer sehr eintönigen Front eines Urlaubs-Hotels gezeigt. Der Autor hat das Bild nachträglich sauber entzerrt (genau so, wie man es bei einem Wettbewerbsbeitrag machen sollte) oder mit komplett gerade gehaltener Kamera perfekt in Szene gesetzt. Das Einzige, was mir hier fehlt, ist der Break der Einöde … ich vermisse den obligatorischen Farbtupfer, der dem Bild ein ganz kleines bisschen Geometrie verpasst. Ich sehe da ein blaues Handtuch das sich über einen Stuhl gehängt auf dem 6 1/2-ten Balkon von links in der vierten Reihe von unten quasi aufdrängt. Das ist in diesem Fall die klassische “Einladung zum Tanz”.

Damit mein aufgehängtes Handtuch keine Konkurrenz bekommt, entferne ich erstmal alle weiteren auf irgendwelchen Stühlen aufgehängten Handtücher. Ich kann da ruhig etwas pfuschen … bei der Menge an Balkonen merkt der Juror das gar nicht. Bei der Gelegenheit spiegele ich das Bild schon mal … der Schnittpunkt von zwei Führungslinien gefällt mir auf der rechten Seite meist besser.

Da die Scheiben und auch die im Schatten liegenden Balkone bläulich sind, färbe ich jetzt mein einzelnes blaues Handtuch rot ein. Dazu nehme ich eine Einstellungsebene vom Typ “Farbton / Sättigung” und hänge eine Ebenenmaske dran, die die Wirkung der Korrektur auf das Handuch begrenzt. Siehe Screenshot unten:

  • Der obere Regler verschiebt die Farbe des Handtuchs von blau nach rot.
  • Der mittlere Regler erhöht die Sättigung des jetzt roten Handtuchs.
  • Der untere Regler dunkelt den Tonwert ab, macht das Rot also dunkler.

Rechts im Screenshot sieht man, wie die fast komplett schwarze Ebenenmaske (nur die Fläche des Handtuchs ist in der Maske weiß) die Korrektur auf das Handtuch begrenzt.

Um mein rotes Handtuch dann noch etwas mehr “in die Geometrie zu bringen” und es innerhalb des Bildes etwas wichtiger zu machen, schiebe ich es einen Balkon weiter nach rechts und nach unten und schneide ich zum Schluss das Bild wie im vorherigen Beispiel etwas enger.

 

Blickführung

Egal, ob man Kollisionen bildwichtiger Elemente vermeidet, störende Elemente entfernt, Bilder enger beschneidet … es geht immer darum, ein Wettbewerbsfoto ruhiger und damit aufgeräumter zu machen, damit der Blick des Betrachters nicht abgelenkt sondern direkt ins Ziel geführt wird. In dem Foto unten wollen mehrere Leute in einen Bus einsteigen. Das ist erstmal einigermaßen gut erkennbar, ließe sich aber noch steigern.

Ich mache das ähnlich wie bei dem Foto der Schönen auf dem Steg … ich lasse eine Korrekturebene erstmal über das gesamte Bild laufen und male dann mit schwarzer Farbe die Korrekturen an der Stellen raus, in der ich sie nicht haben möchte. Ich hebe also mit einer Einstellungsebene vom Typ “Gradationskurve” erstmal das Licht auf 35% an. Damit das so funktioniert wie im Screenshot unten, müssen die Anzeigeoptionen der Gradationskurve auf “Pigment/Druckfarbe” stehen. Das gesamte Bild wird dadurch also erstmal wesentlich dunkler.

Wenn man jetzt die People in der Ebenenmaske mit schwarzer Farbe übermalt, werden sie wieder heller (weil die abdunkelnde Korrektur an den Stellen dann nicht mehr wirkt) und kommen dadurch viel deutlicher raus.

Diese Art von Korrektur kann man übrigens bei mindestens jedem zehnten eingereichten Foto anwenden, die Bildwirkung wird dadurch immer besser und zielführender. Hier noch ein schnelles weiteres Beispiel, diesmal mit einem runden, weichen, schwarzen Verlauf in der Ebenenmaske, der die Abdunkelung bei den beiden Damen wieder rausnimmt.

Etwas zu viel des Guten

Ein witziges Motiv, dass der Autor da gesehen und fotografiert hat. Ich persönlich finde es nur eine Tick zu voll und würde daher versuchen, einige Schirme wegzuschneiden und die bildwichtigen zu begradigen.

Ich habe dann noch ganz rechts einen Schirm rausgenommen, weil ich sonst am rechten Bildrand einen angeschnittenen Schirm gehabt hätte. Das Bild wirkt durch die Änderungen jetzt insgesamt etwas ruhiger (siehe nächstes Bild) und ich bekomme so den Schnittpunkt zweier wichtiger Diagonalen zusätzlich auf eine Drittel-Linie. (Übernächstes Bild)

 

© Bilder : Bei den Fotografinnen und Fotografen
Text : Ralf Wilken

Wichtiger Hinweis

Alle in dieser Serie gezeigten Bildmodifikationen und Anmerkungen spiegeln meinen ganz persönlichen Geschmack wider und können keinesfalls Allgemeingültigkeit haben. Ich behandle sie so, als wären es meine selbst fotografierten Bilder, die ich für eine eigene Wettbewerbsteilnahme bearbeite.

 

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