Ist man aktuell auf der Suche nach dem innovativsten Kamerahersteller, ist Sony sicherlich einer der Namen, der am schnellsten fallen wird. Nicht nur, dass man mit den kleinen NEX-Kameras im spiegellosen Systemkamera-Markt weit vorne mitmischt, man kann mit Fug und Recht behaupten, dass Sony im letzten Sommer auch den SLR-Markt revolutioniert hat – so sehr, dass man eigentlich gar nicht mehr von einer SLR sprechen kann. Klar, dass ich auf die Einführung der ersten SLT-Modelle hinaus will – ein schwingender Spiegel wird nicht mehr geboten, dafür gibt es nun ein teildurchlässiges Pendant, das Licht permanent zum Sensor „durchlässt“, den Sucher dafür aber außen vor lässt. Damit wäre der bislang größte Nachteil (der fehlende „analoge“ Sucher) der neuen Technik bereits angesprochen, die teils erheblichen Vorteile sollte man aber nicht vergessen: es gibt keinen Spiegel mehr, der sich bewegen muss, was einerseits eine potenzielle Fehlerquelle eliminiert, andererseits extrem schnelle Serienbildfrequenzen erlaubt, es geht keine Zeit mehr durch die Spiegelbewegung verloren. Noch wichtiger: Der feststehende Spiegel lenkt permanent einen Teil des Lichts zum AF-Sensor, sodass immer mit der schnellen Phasendetektion die Schärfe eingestellt werden kann (obwohl hinzuzufügen ist, dass die aktuellen Kameras mit Kontrastdetektion auch sehr schnelle automatische Scharfstellung bieten).
Dass die neue Technik durchaus ankommt, hat man in diesem Sommer wunderbar daran erkennen können, wie die Internetcommunity täglich auf neue Infos (die, von wem auch immer, stets brav geleakt wurden) hin eiferte.
Neben der NEX-7 war die Alpha SLT-A77 sicherlich eine der am meisten gegoogelten Kameras in diesem Sommer. Ein erstes Hands-on und zahlreiche Praxisbilder zur Sony Alpha SLT-A77 mit ihrem phänomenalen OLED-Sucher konnten wir bereits online präsentieren, einen ausführlichen Test wird es in d-pixx 5/2011 geben. Neben der A77 hat Sony aber auch die neue Alpha SLT-A65 vorgestellt, die viele Features der großen Schwester bieten kann, auf das ein oder andere verzichtet, mit einem Straßenpreis von 899 Euro (Body) aber auch 400 Euro günstiger, als die Alpha SLT-A77 ist.
Technik + Ausstattung
Das Positive zum Anfang: Die SLT-A65 kann insgesamt erstaunlich viele Features der großen Schwester in die Waagschale werfen. Das zentrale Feature ist dabei natürlich der brandneue EXMOR-APS-C-Sensor mit einer Auflösung von 24,3 MPix. Damit liegt man schon einmal auf dem Niveau einer EOS 5D Mark II, besitzt aber natürlich eine kleine Sensor-Fläche. Dass dies hinsichtlich des Rauschen aber keineswegs ein Nachteil ist, werden wir später sehen. Wenn wir schon beim Rauschen sind: Der ISO-Bereich liegt zwischen ISO 100 und ISO 16.000 (in 1/3 EV-Stufen). Wird zusätzlich die Multibild-Rauschunterdrückung aktiviert, kommt man sogar bis ISO 25.600.
Kleinere Abstriche gegenüber der großen Schwester müssen beim AF-System gemacht werden. Wärend die A77 mit 19 AF-Messpunkten und 11 Kreuzsensoren daherkommt, muss die A65 mit 15 Messpunkten und nur drei Kreuzsensoren auskommen – für den ambitionierten Hobby-Anwender wird aber auch das vollkommen ausreichen. Das Gleiche gilt auch für die Serienbildgeschwindigkeit. Während es die A77 auf 12 Bilder/Sek. bringt, gelingen der A65 10 Aufnahmen/Sek – auch das ist ein exzellenter Wert und zeigt wieder einmal, wie schnell sich die Technik entwickelt. Vor noch gar nicht allzu langer Zeit mussten für eine EOS 1D Mark III Unsummen ausgegeben werden – die eigentliche Bildfolge war aber noch immer langsamer.
Aber nicht nur die Basics, auch die „Sonderausstattung“ kann sich sehen lassen. Gerade Reisefans können sich über ein integriertes GPS-Modul freuen, das für Geotagging-Features genutzt werden kann. An Softwarefunktionalitäten gibt es neben der Möglichkeit, normale Schwenkpanoramen aufzunehmen auch die Möglichkeit, 3D-Panoramen zu erstellen – ob man das nun wirklich braucht ist die eine Frage, schaden kann die Funktion aber schon mal nicht. FullHD-Videos können natürlich auch aufgenommen werden, ohne diese Funktion geht es in der heutigen Zeit ja praktisch nicht mehr. Interessant ist, dass der von Kompaktkameras bekannte, unsägliche Digitalzoom nun auch im Systemkamera-Markt Einzug hält. Zwar nennt Sony das Feature „hinzuschaltbarer Telekonverter“ – es handelt sich aber natürlich um nichts anderes als besagten Digitalzoom.
Gehäuse + Verarbeitung
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Anders als die große Schwester besitzt die A65 kein Magnesium-Gehäuse, sondern einen Kunststoff-Body. Wechselt man direkt von einem zum anderen Modell, macht sich das bei der Haptik deutlich bemerkbar – die A77 fühlt sich robuster und wertiger an. Das ändert aber nichts daran, dass die A65 ein Gehäuse besitzt, das der Preisklasse mehr als angemessen ist und sich nicht hinter Konkurrenten verstecken muss – wer bereits die A55 kennt, befindet sich qualitativ bei der A65 (die ja auch der direkte Nachfolger ist) auf dem gleichen Niveau. Natürlich besitzt die A65 auch keine Gummidichtungen wie Profimodelle, aber auch das ist in der Sub-1000-Euro-Preisklasse nicht üblich, also nicht negativ zu sehen.
Einen genauen Eindruck vom Gehäuse und der genauen Lage der Anschlüsse soll unsere Galerie des Gehäuses vermitteln.
Handling
Viel wichtiger ist es da natürlich, wie die Kamera in der Hand liegt – kurz und knapp: gut. Das A65 ist kein Maxi-Modell, Sony gibt sich bei den SLTs aber auch nicht dem Minimierungstrend hin – den Wunsch nach kleinsten Modellen erfüllt die NEX-Serie. Und so bietet die A65 eine gute Größe, die auch Fotografen mit größeren „Flossen“ (zu denen ich gehöre) gut in der Hand liegt, ohne dass sie bei kleineren Händen zu groß wäre (das sagen zumindest die Testpersonen, denen ich die A65 in die Hand gedrückt habe).
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Gestandene Fotografen lieben die zahlreichen Knöpfe auf den Rückseiten der Alphas, Einsteiger fühlen sich ein wenig überfordert, finden sich aber nach der Eingewöhnung gut zurecht. Ein klein wenig wie in einem Cockpit könnte man sich auch bei der SLT-A65 fühlen (und das gilt bei der A65 nicht nur für die Knöpfe, dazu später aber mehr). Zwangsläufig bringt aber gerade die hohe „Knopfdichte“ auch Vorteile mit sich. Hat man sich einmal an die Anordnung gewöhnt, kann auf zahlreiche Funktionen direkt zugegriffen werden. Die Aufteilung der Tasten kann als gelungen bezeichnet werden, auch wenn mir persönlich der Daumen-Joystick der SLT-A77 (oder alternativ ein Daumenrad) doch fehlt. Einzig die REC-Taste zur Bildaufnahme sitzt für mein Empfinden ein wenig zu weit innen. Gelungen hingegen finde ich die ISO-Taste direkt hinter dem Auslöser, da so flott der ISO-Wert angepasst werden kann, ohne dass die Kamera abgesetzt werden muss. Dass sich die Taste für die Belichtungskorrektur direkt daneben befindet, ist da nur logisch. Auf der linken Schulter befindet sich ein großes, griffiges Auswahlrad, das klar gerastert ist und den Zugriff auf insgesamt zwölf Modi bietet.
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Das Menü ist klar strukturiert und gut übersetzt, sodass man sich nach einer kurzen Eingewöhnungszeit bestens zurechtfindet. Der Funktionsumfang ist riesig, sodass man eine gewisse Zeit braucht, um wirklich alle Einstellungen kennenzulernen – davon einmal abgesehen gibt es aber nichts zu bemängeln. Nachdem aber bereits die letzten Alpha-Menüs zu gefallen wussten, hätte uns hier alles andere aber auch überrascht.
Display + Sucher
Das Highlight der SLT-A65 ist sicherlich der verbaute Sucher.
SLT-Technik bedeutet, dass ein digitaler Sucher zum Einsatz kommt. Digitale Sucher wurden seit ihrer Einführung immer besser, aber die klassischen optischen Sucher waren immer einen Schritt voraus. Im Hinblick darauf ist es besonders interessant, dass Sony mit der neuesten Generation auf die OLED-Technik setzt, die eine signifikante Steigerung der Qualität verspricht – und in der Praxis erfreulicherweise auch bietet. Mein erster Gedanke beim Blick durch den Sucher war: „Nanu? Die Alpha 65 muss doch eigentlich einen digitalen Sucher haben“.
So liefert die A65 (wie übrigens auch die A77) mit ihren 2,3 Million Dots auf dem Suchermonitor ein erstklassiges Bild mit natürlichen Farben und vollständig ohne Nachzieheffekte. Einzig in dunklen Umgebungen ist ein Rauschen festzustellen – bei einem analogen Pendant wäre dann aber meistens nichts mehr zu erkennen – von einem Nachteil kann so also kaum die Rede sein. Zwar ist ein „echter“ analoger Sucher noch immer etwas farbechter, natürlicher und besitzt natürlich einen ganz eigenen Charme. Es kann aber klar festgestellt werden, dass die neuesten Sony-Sucher den Anfang vom Ende der optischen Sucher darstellen, wie wir sie aktuell kennen. Die Vorteile liegen in dem Aspekt, der uns wieder zum „Cockpit“-Vergleich führt. Die SLT-A65 kann unheimlich viele Details anzeigen, was das Handling enorm vereinfacht, teils aber wirklich das Gefühl vermittelt, in einem Jet-Cockpit Platz zu nehmen. Als besonders praktisch empfinde ich die integrierte Wasserwaage, da ich doch dazu neige, dass der Horizont ausläuft.
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Natürlich darf auch ein Display auf der Rückseite nicht fehlen, das für LiveView genutzt werden kann. Der Monitor besitzt eine Diagonale von 3 Zoll und eine Auflösung von 921.000 Dots. Interessant: Sony entscheidet sich bei der A65 für eine andere Aufhängung, als bei der großen Schwester. So besitzt das Display an der Unterseite einen zentralen Dreh- und Schwenkpunkt, während die Monitoraufhängung bei der Alpha A77 an die NEX-Lösung erinnert. Das ändert aber wenig daran, dass auch die A65-Aufhängung funktionell ist und den Sinn und Zweck eines schwenkbaren Displays erfüllt: Es können bequem bodennahe und Überkopf-Aufnahmen gemacht werden. Dass die Möglichkeit, den Monitor neben das Gehäuse zu schwenken fehlt, stört mich persönlich nicht, zumal der Monitor dafür nach unten geschwenkt werden kann.
Bildqualität
Über die Bildqualität möchte ich hier gar nicht viele Worte verlieren. In unseren Galerien bieten wir unveränderte Originalaufnahmen direkt aus der Kamera. Neben den gewohnten Praxisbildern, die während des Praxistests entstanden sind, bieten wir ISO-Reihen und auch Blendenreihen, die mit dem neuen Kit-Objektiv 3,5-5,6/18-55 mm gemacht wurden.
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Kurz und knapp: Der Sensor bietet eine hohe Detailauflösung und eine natürliche Farbwiedergabe. Dass die Bildqualität hinter die Alpha SLT-A77 zurückfällt, liegt in unserem Fall schlichtweg daran, dass wir bei der SLT-A65 das Kit-Objektiv genutzt haben, das etwas schwächer ist, als das neue lichtstarke 2,8/16-50 mm, das an der großen Schwester zum Einsatz kam.
Das Rauschverhalten des neuen 24,3 MPix starken Sensors zeigt dabei eindeutig, wie sich die Technik weiterentwickelt, befindet sich die A65 doch in etwa auf einem Level mit der EOS 5D Mark II. Bis ISO 400 ist Rauschen nicht feststellbar und auch bei ISO 800 muss man ganz genau hinschauen, um etwas Korn im Bild zu finden. Während auch ISO 3200 sicherlich noch zu mehr als nur „Notaufnahmen“ zu nutzen ist, steigert sich das Rauschverhalten zu ISO 6400 auf einmal erheblich, bis ISO 12.800 gibt es dann noch einmal einen größeren Sprung. Hier sollte aber wie immer gelten: Solche ISO-Werte sollten immer so verstanden werden, dass es besser ist, eine verrauschte Aufnahme zu machen, als überhaupt kein Bild im Kasten zu haben.
Alles in allem ist die Sony Alpha SLT-A65 eine erstklassige Systemkamera, die mit einer ordentlichen Bedienung, einem riesigen Funktionsumfang und nicht zuletzt einer sehr guten Bildqualität zu gefallen weiß – sehr interessant wird die Kamera aufgrund ihrer hohen Serienbildgeschwindigkeit für alle Nutzer, die Interesse an Sportfotografie haben. Mein persönliches Highlight ist aber der neue OLED-Sucher, der bei mir kein Verlangen mehr nach einem klassisch analogen Pendant aufkommen lässt. Vielmehr stellen die zahlreichen zusätzlichen Anzeige-Optionen einen klaren Vorteil für mich dar.
Auch wenn die große Schwester SLT-A77 aktuell in aller Munde ist, so ist die Alpha SLT-A65 für die meisten Interessenten sicherlich eine bedenkenswerte Alternative. Die minimal langsamere Serienbildfunktion (im Burst-Modus 10 B/Sek. gegenüber 12 B/Sek.) wird nur den wenigsten Anwendern auffallen. Das Kunststoff-Gehäuse fühlt sich zwar nicht ganz so wertig an wie der A77-Body, da aber auch die A65 eine gute Materialgüte besitzt und sehr gut verarbeitet ist, sollte es keine Abstriche geben. Der deutlichste Einschnitt ist sicherlich das abgespeckte AF-System. Eins steht fest: wer sich für die Sony SLT-A65 entscheidet, hat 400 Euro frei – die z.B. in ein Objektiv investiert werden können.