Auch wenn Canon (endlich) doch in das Segment der spiegellosen Systemkameras eingestiegen ist, legt man (noch) Wert auf die Pflege der Spiegelreflexkameras. Das beweist die Canon EOS 90D eindrucksvoll in unserem Test.

Mit der Canon EOS 250D wurde im Frühjahr 2019 ein neues Einsteigermodell in der DSLR-Linie vorgestellt (dass schon dieses Einsteigermodell mehr kann als Profikameras früherer Jahre, sei nur nebenbei bemerkt), vor wenigen Wochen die EOS 850D als neues Mittelklassemodell.

Zwischen diesen beiden kam die Canon EOS 90D im Sommer 2019 heraus und wurde von uns in der Print-Ausgabe 4/2019 im Test vorgestellt. Hier dieser Test noch mal zum Nachlesen oder zum neu Lesen, wenn die 4/2019 nicht gelesen wurde.

Die Canon EOS 90D setzt die Serie der zweistelligen Oberklassenkameras fort, die 2003 mit der EOS 10D (6,3 MPix, ISO-Werte bis 3200) begann und deren bisher letztes Modell, die EOS 80D, seit Februar 2016 im Programm war und immer noch eine sehr gute Figur in der Praxis macht.

Die EOS 90D sieht der EOS 80D zwar sehr ähnlich, aber es gibt doch einige Unterschiede im Design. Die Neue wirkt mit ihrem flacheren und etwas längeren Sucheraufbau (unter dem wieder ein kleiner Blitz steckt) und der Rückwand, die im oberen Teil steiler verläuft, etwas eleganter als die etwas knubbeligere EOS 80D.

Auf die Handlichkeit hat das allerdings keinen Einfluss, zumal der Handgriff praktisch identisch ist.

Wichtig beim Wechsel zum aktuellen Modell oder wenn man die EOS 80D als Zweitgehäuse weiter nutzt: Beim Layout der Einstellelemente hat sich nur sehr wenig verändert.

Sehr gut: Die EOS 90D hat nun auf der Rückwand gleich oben neben dem Monitor einen Mini-Joystick, mit dem man das AF-Messfeld bzw. die Messfeldgruppe bewegen kann und der auch für die Navigation durchs Menü bestens taugt. Dadurch sind die Taste fürs Quickmenü ein Stückchen und die Wiedergabe-Taste ganz nach unten gerutscht. Damit kann man sehr gut leben. Ob es nötig war, die Riffelungen der Einstellräder feiner zu machen, den Entriegelungsknopf für den Blitz zu versetzen und die Form der Abdeckungen über den Anschlüssen (USB, HDMI, Mikro, Kopfhörer, Fernauslöser) auf der linken Gehäuseseite zu ändern, oder ob man das gemacht hat, um etwas gemacht zu haben – wer weiß?

Alle anderen Einstellelemente sind da, wo man sie von der EOS 80D gewohnt ist und auch die EOS 90D lässt sich sehr gut handhaben.

 

Der Hauptschalter liegt wieder links unter dem Betriebsartenwählrad. Für mich ist der Hauptschalter um den Auslöser zwar die bessere, weil schnellere Lösung … na gut. Das Rad muss zum Drehen entriegelt werden.

Rechts vom Sucher ist der Monochrom-Statusmonitor untergebracht, der beleuchtet werden kann. (Beleuchtbare Einstellelemente wären eine feine Sache, gibt es aber nicht. Sie sind aktuell der EOS-1D X Mark III vorbehalten, die gerade in der Entwicklung ist.)

Davor die bekannten Tasten, mit denen man die Einstellungen für Autofokus, Bildfolge, ISO-Wert und Belichtungsmesscharakteristik aufruft. Dazu gesellt sich die Taste für die Beleuchtung des Statusmonitors, die schon auf dem Handgriff sitzt, wo man auch die Taste für die Einstellung des AF-Messfeldes (Einzelfeld, Gruppe, automatische Wahl) findet. Ebenfalls oben auf dem Handgriff: der Auslöser. Einen gesonderten Auslöser für Videos gibt es nicht. Diese Aufgabe übernimmt der Startknopf für den Live-View-Modus, wenn man den umgebenden Schalter vom Symbol Fotokamera auf das Symbol Videokamera gedreht hat.

Dazu kommen auf der Rückwand insgesamt acht Tasten, um z. B. das sehr praktische Quickmenü und das wieder übersichtliche Hauptmenü aufzurufen, die Belichtung zu speichern oder die AF-Messfeldwahl aufzurufen.

Im bereits angesprochenen Daumeneinstellrad, das auch bei der EOS 90D etwas größer sein dürfte, sitzt eine 8-Richtungswippe, die für mich keine große Rolle mehr spielt, da es den Mini-Joystick und die Möglichkeit gibt, den Touchscreen für Einstellungen zu nutzen.

Eine Taste, die leicht übersehen wird, soll noch erwähnt werden. Sie sitzt unten rechts am Objektivträger und dient standardmäßig als Abblendtaste. Sie kann, wie fast alle anderen Einstellelemente auch, im Menü umfunktioniert werden.

Der Rückwandmonitor ist mit 3“ Diagonale und 1,04 Mio. RGB-Dots im Mittelfeld angesiedelt – da gibt es besseres. Als Touchscreen-Monitor ist er ein wesentlicher Bestandteil der Kamerasteuerung. Aber er ist natürlich auch der Sucher im LV-Modus, und da ist es lobenswert, dass er um 180° nach links geschwenkt und um die Längsachse gedreht werden kann. Auf dem Monitor kann man sich auch Histogramm und Wasserwaage (leider nur 2D) anzeigen lassen.

Bei einer DSLR ist der optische TTL-Sucher auf jeden Fall das Zentrum der Bildgestaltung. Die Vergrößerung (0,6x [@KB]) ist nicht berauschend, 100-%-Bildfeldabdeckung sind dagegen sehr gut.

Die Canon EOS 90D ist in der APS-C-Klasse zu Hause und der Sensor bringt den für Canon typischen Crop-Faktor von 1,6x mit. Es handelt sich um einen CMOS-Sensor mit RGBG-Mikro-Filtern (Bayer Pattern) und Tiefpassfilter und er steckt natürlich hinter einem Rüschschwingspiegel der passenden Größe.

Die Auflösung von 32,3 MPix (Bildgröße 6960 x 4640 Pixel) ist üppig und führt zu Dateigrößen um die 11 MByte für große JPEGs und um die 40 MByte für RAW-Dateien (M- und S-RAW bringen kleinere Dateien). Auch mit so großen Datenmengen hat der DIGIC8 Prozessor keine Probleme. So erreichte ich z.B. mit einer SDHC-II-Karte Bildserien mit bis zu 11,6 B/Sek. im Live-View-Modus ohne AF-Nachführung, wobei JPEG- und RAW-Dateien parallel aufgezeichnet wurden. Mit AF-Nachführung waren es bis zu 7,1 B/Sek.

Die RAW-Dateien (*.CR3), die von Adobe Camera RAW (Vers. 12.0.0.322) geöffnet werden können, weisen eine Farbtiefe von 14 Bit auf, lassen sich also sehr gut bearbeiten.

Der Belichtungsmesser wurde gegenüber der EOS 80D aufgebohrt und es wird nun mit 220.000 statt mit 7.560 Pixeln gearbeitet. Beim parallelen Praxiseinsatz einer EOS 80D und EOS 90D unter ganz normalen Bedingungen fiel mir mit bloßem Auge kein Unterschied auf.

Auch bei der Belichtungssteuerung gibt es etwas Neues, und zwar einen elektronischen Verschluss, der zum einen sehr leise arbeitet und zum anderen ultrakurze Zeiten bis 1/16.000 Sek. möglich macht.

Die EOS 90D bietet wieder sehr viele Möglichkeiten, die Bilder kreativ so zu gestalten, wie man sie haben möchte. Auch bei der technischen Qualität kann man auf die Bilder Einfluss nehmen, indem man entsprechende automatischen Hilfen ein- oder ausschaltet oder konfiguriert.

Die Zahl der Messfelder auf dem speziellen AF-Sensor, der im Sucher-Modus gebraucht wird, ist mit 45 Kreuzsensoren gegenüber dem Vorgängermodell gleich geblieben. Je nachdem, welche Sensoren das Motiv erfassen, kann im Bereich bis Blende 8 fokussiert werden. Der zentrale Sensor ist bei Blende 2,8 bis 5,6 als Doppelkreuzsensor ausgelegt.

Schon im Suchermodus ist der AF sehr schnell und sicher, legt aber im Live-Modus ein bisschen zu. Der Sensor macht als Dual-Pixel-CMOS-Sensor die sehr schnelle und präzise Scharfstellung in der Sensorebene möglich. Fast die gesamte Bildfläche kann für die Scharfstellung genutzt werden. Auch besondere Funktionen wie Gesichts- und Augen-AF stehen zur Wahl und arbeiten sehr gut.

Mit 32,5 MPix bietet die EOS 90D den höchstauflösenden Sensor der 2-stelligen EOS-Modelle. Die maximale Bildgröße von 6.960 x 4.640 Pixeln reicht sehr gut für Ausdrucke im Format 60 x 40 cm mit 300 ppi Druckauflösung (eine Doppelseite der d-pixx foto ist rund 42 x 30 cm groß!) und für sehr viel größere Formate, wenn man Druckauflösung und Betrachtungsabstand reduziert!

Schon mit dem Setzoom EF-S 18-135 mm F3.5-5.6 IS USM (29-216 mm [@KB]) kann man hervorragende Ergebnisse erzielen. Dank der Bildstabilisierung im Objektiv (die EOS 90D weist wie für EOS üblich keinen Stabilisator auf) geht das auch bei schlechten Lichtverhältnissen aus der freien Hand sehr gut. Ich konnte bei längster Brennweite bis zur 1/15 Sek., mit mehr Ausschuss auch bis zur 1/8 Sek. auf ein Stativ verzichten und erhielt trotzdem unverwackelte Aufnahmen.

Für den Sensor kann man Empfindlichkeiten bis ISO 51.200 einstellen. Sehr gut zu nutzen sind die Werte bis ISO 3.200, denn hier sind die Bilder sehr sauber. Bei ISO 6.400 kommt dann geringes Rauschen ins Spiel, das man per Software, besonders bei der Entwicklung der RAW-Dateien, sehr gut in den Griff bekommt. Auch ISO 12.800 können in der Praxis noch zu gut brauchbaren Ergebnissen führen – das hängt auch vom Motiv ab.

Bei den niedrigen ISO-Werten zeigt Imatest Master 4.3 Auflösungswerte bis 0,45 Cycles/Pixel (max. 0,5 Cycles/Pixel) – das ist ganz hervorragend. Für die Messung kam das EF 1,8/50 mm STM zum Einsatz. Ebenfalls hervorragend ist der Dynamik-Umfang um die 10 bis 11 Belichtungsstufen. Die Farbwiedergabe ist in der Grundeinstellung sehr gut, kann aber in alle Richtungen verändert werden, wenn man das möchte.

Nicht zu vergessen: Im Gegensatz zur EOS 80D kann nun auch in 4K-Auflösung gefilmt werden!

Alles in allem überzeugt die Canon EOS 90D durch die Abbildungsleistung und den schnellen, sicheren Autofokus voll und ganz.

Text: Herbert Kaspar
Produktbilder: Canon

 

BEWERTUNG FÜR DIE CANON EOS 90D

 

GUT – SEHR GUT – HERVORRAGEND – HERVORRAGEND PLUSHERVORRAGEND DOPPEL PLUS

 

 

 

Text (c) Herbert Kaspar
Produktbilder (c) Canon

 

PRAXISBILDER

An den Bildern wurde außer in einigen Fällen eine Tonwertkorrektur keine Bearbeitung vorgenommen.

Beachten Sie bitte, dass die Bildqualität, besonders die Farbwiedergabe, auch von den Einstellungen Ihres Monitors abhängt!

 

Canon EOS 90D mit EF-S 18-135 mm F3.5-5.6 IS UMS

 

@ 59 mm | ISO 100 | F5.6 | 1/100 Sek.
@ 69 mm | ISO 100 | F5.6 | 1/200 Sek.
@ 59 mm | ISO 1000 | F11 | 1/80 Sek.
Das passiert, wenn die Einstellungen nach Innenaufnahmen nicht ändert.
@ 135 mm | ISO 100 | F5.6 | 1/640 Sek.
@ 135 mm | ISO 100 | F5.6 | 1/3200 Sek.
@ 85 mm | ISO 160 | F8 | 1/160 Sek.
@97 mm | ISO 1600 | F8 | 1/200 Sek. | +0.67 EV
@135 mm | ISO 2000 | F8 | 1/250 Sek.

 

Canon EOS 90D mit Tamron SP 35 mm F1.4 Di USD

 

35 mm | ISO 100 | F4 | 1/500 Sek. | +1EV
35 mm | ISO 100 | F4 | 1/100 Sek. | +1EV
35 mm | ISO 100 | F2.5 | 1/640 Sek.

 

ISO-REIHE

Das erste Bild zeigt den Aufbau im Studio, der wie immer mit einer Tageslicht-Fotoleuchte beleuchtet wurde. Die Helligkeit entspricht etwa EV 7.

Die weiteren Bilder sind 100-%-Crops aus den 6960 x 4640 Pixel großen Originalbildern.

 

Alle Aufnahmen der ISO-Reihe: EF-S 18-135 mm F3.5-5.6 IS USM @ 29 mm | F8
ISO 100 | 1/2 Sek.
ISO 200 | 1/4 Sek.
ISO 400 | 1/8 Sek.
ISO 800 | 1/15 Sek.
ISO 1600 | 1/30 Sek.
ISO 3200 | 1/60 Sek.
ISO 6400 | 1/125 Sek.
ISO 12.800 | 1/250 Sek.

 

Alle Fotos (c) Herbert Kaspar

 

Dieser Praxistest wurde zuerst in der Printausgabe von d-pixx foto 4/2019 veröffentlicht.