… und zu äußerst kreativ.

Als ich damals in der d-pixx 6/2011 den Praxistest über das Walimex 7,5 mm F2.8 für das Micro-Four-Third-System las, war es um mich geschehen. Weitwinkel-Aufnahmen haben mich schon immer begeistert und bis heute fotografiere ich mit Vorliebe im kleinen Brennweitenbereich. So ein Fisheye-Objektiv war ein lang gehegter Wunsch von mir. Aber die Kosten für diese oftmals hochpreisigen Spezial-Objektive und die Tatsache, dass ich immer wieder hörte, der Fisheye-Effekt nutze sich schnell ab, ließen mich Abstand davon nehmen. Und dann war da plötzlich dieses schnuckelig kleine Objektiv mit einem attraktiven Preis. Ein Angebot, dem ich nicht widerstehen konnte.

PanicMicroCar
PanicMicroCar

Noch ehe ich die d-pixx durchgelesen hatte, konnte ich das 7,5er Walimex mein eigen nennen. Zunächst setzte ich es für 360° Panoramen ein. Was sich aber auf meinem Nodal-Adapter als nicht so einfach herausstelle. Wegen der kleinen Bauform des MFT-Systems in Verbindung mit diesem Mini-Objektiv, das einen Bildwinkel von 180° über die Formatdiagonale abbildet, war immer ein Teil meines Adapter-Schlittens im Bild. Ich musste etwas bohren und schrauben, bis ich das Problem lösen konnte. Und so war es mir möglich mit wenigen Aufnahmen 360°-Fotos zu schießen.

Mein Stitching-Programm hatte Schwierigkeiten die Verzeichnung der Einzelbilder in den Griff zu bekommen. Ich hatte zunächst nur vier horizontale (Nord, Ost, Süd und West) plus zwei Bilder oben und unten (Zenit und Nadir) gemacht. Es funktionierte besser, als ich mehr Einzelbilder machte. Ich halbierte die horizontalen Aufnahmepositionen und mit acht plus zwei Aufnahmen funktionierte es zuverlässig.

UnterFeuer

Aber warum das Objektiv nur für die Panoramatechnik einsetzen? Nun wollte ich unbedingt wissen, wie schnell sich so ein Fischauge wohl wirklich abnutzt. Ich machte mich auf Motivsuche und war sofort begeistert von der Sehweise mit Weitblick. Grundsätzlich ist die tonnenförmige Verzeichnung zu berücksichtigen. Sollen Motive möglichst authentisch abgebildet werden, sollten die gestalterisch wichtigen Linien, wie zum Beispiel in Landschaften der Horizont, durch die Bildmitte verlaufen.

Aber um “authentisch” geht es nicht wirklich mit einem Fisheye. Der riesige Bildwinkel entspricht nun mal nicht dem  menschlichen Blickwinkel. Und genau darin sehe ich das kreative Potenzial eines Superweitwinkels. Warum verbiegen, um gebogenes gerade zu biegen? Das ist doch das Spannende an der Fotografie. Wenn ein Bild sich stark von der normalen visuellen Wahrnehmung unterscheidet, sieht man die Welt mit anderen Augen – in diesem Fall mit Fischaugen.

Wasch dich mal!

Ich suchte nach Perspektiven, die eben durch diese Bildfeldwölbung ungewöhnlich erscheinen. Bäume gehören sowieso zu meinen Lieblingsmotiven und plötzlich war es mir möglich große Bäume aus unmittelbarer Nähe in ihrer Umgebung darzustellen. Mit einem möglichst tiefen Standpunkt konnte ich den mächtigen Stamm samt Baumkrone einfangen und auch noch entsprechend für die Bildaussage gewichten. Ein zusätzliches Nebenmotiv auf der gegenüberliegenden Seite symbolisiert Tiefe und zeigt das Umfeld des Lebenskünstlers. Die gebogenen Linien stören bei einem Baum nicht so sehr, wie bei vergleichsweise statischen Motiven aus der Architektur. Die Erfahrung zeigte mir dann schließlich, dass die Millimeter genau eingerichtete Perspektive, enorme Auswirkung auf die Gesamtkomposition hat. Mein kleines Reisestativ ist mir da eine große Hilfe, da es freihand unheimlich schwierig ist, alle Achsen und die exakte Anordnung sämtlicher Bildelemente auszuloten. Außerdem hatte ich bei meinen ersten Freihandaufnahmen oft meine Füße, Stirn oder Fingerknöchel im Bild.

NuMorning

 

Finger weg!

Bäume waren wirklich ein guter Anfang, um die Eigenart der Fisheye-Fotografie zu ergründen. Aber dann entdeckte ich andere Motive. In Sachen Architektur bin ich jetzt nicht so bewandert, aber strenge Geraden, die Architekten kreiert haben, um einem Gebäude Stabilität zu geben, wollte ich ad absurdum führen. Häuserschluchten, Türme, Tunnel oder Treppen schienen mir eine gute Wahl zu sein. Auch hierbei ist die peinlich genaue Einrichtung der Kameraperspektive sehr wichtig für die Anordnung, und damit für die Wirkung, der Bildelemente. Ich hatte mich häufig ein wenig geärgert, wenn Eckläufer, Symmetrie oder die parrallele Ausrichtung der Sensorebene nicht perfekt waren, nur weil ich aus Bequemlichkeit auf das Stativ verzichtete.

Der Suchende

Noch ein paar Worte zum Umgang mit dem Walimex 7,5mm. Dass das Objektiv preislich recht günstig ist, liegt nicht darin begründet, dass es keine ordentliche Abbildungsleistung bringt. Ganz im Gegenteil, der koreanische Hersteller Samyang hat hier vorbildliche Arbeit geleistet. Vielmehr liegt es daran, dass es sich um ein rein manuelles Objektiv handelt. Es kann nicht automatisch Fokussieren und auch die Blende muss manuell gewählt werden, was über die gut lesbaren und feinfühlig bedienbaren Einstellringe kein Problem darstellt. Die manuelle Bedienung führt unweigerlich dazu, dass man sich vor dem Auslösen Gedanken über Schärfentiefe und Belichtungszeit machen muss, denn auch im Sucher oder auf dem Display sind die eingestellten Werte nicht sichtbar, da keine Übertragung der Daten möglich ist.

Minarett in Bremerhaven

Vom Stativ aus sind längere Belichtungszeiten kein Problem, aber freihand habe ich hin und wieder gepatzt, weil ich vergessen hatte, dass ich die Blende vorher ziemlich weit geschlossen hatte.

Die Schärfentiefe ist schon phänomenal. Bei Blendenwerte zwischen 5.6 und 11 ist in der Unendlichstellung des Objektives ab circa einem Meter alles scharf abzubilden. Möchte ich den Nahbereich mehr betonen, so aktiviere ich die Lupenfunktion im Live-View an meiner Kamera, um den Schärfepunkt sicher bestimmen zu können.

Aber auch im unmittelbaren Nahbereich, Naheinstellgrenze 9 cm, ist das Objektiv ein wirklich tolles Werkzeug, um zu ungewöhnliche Aufnahmen zu gelangen – siehe d-pixx 1/2014 Tipps+Tricks Motive „Breite Nähe“. Nun darf man aber bei solchen Bildwinkeln nicht wirklich ein Bokeh mit sahniger Tiefenwirkung erwarten, das funktioniert physikalisch einfach nicht. Gleiche oder ähnliche Objektive bietet Walimex auch für andere Kamerasysteme an und sie lassen sich mit Sicherheit genauso kreativ verwenden. Letzteres gilt übrigens auch für Superweitwinkel-Objektive von allen anderen Herstellern.

Rathaus Delmenhorst
Leichter Patzer in der Zentralperspektive. Weil ich auf ein Stativ verzichtet hatte gelang es mir nicht in der Enge des Treppenabsatzes die exakte Mitte zu finden.

Zum Schluss möchte ich allen „abgenutzten“ Betrachtern versichern, dass Fisheye-Fotografie wahnsinnigen Spaß macht und damit ungewöhnliche, kreative Bilder möglich sind, die immer wieder auf`s Neue verblüffen.

Into the Light

Alle Fotos und Text: © Kai Kinghorst

5 Kommentare

  1. “Zum Schluss möchte ich allen „abgenutzten“ Betrachtern versichern, dass Fisheye-Fotografie wahnsinnigen Spaß macht und damit ungewöhnliche, kreative Bilder möglich sind, die immer wieder auf`s Neue verblüffen.”

    Genau !!!

    Tolle Laudatio, tolles Objektiv, tolle Bilder… danke, Kai.

    Gruss Bernhard

  2. Frage: Was zahlt Walimex für so eine Reklame 🙂
    Ich bin nach wie vor der Meinung dass sich der Fisheye-Effekt beim Besitzer eines solchen Objektivs über kurz oder lang tot läuft. Ich habe vor vielen, vielen Jahren mein Minolta MD 16mm Fisheye nach etwa einem Jahr wieder verkauft. Auch im Fotoclub war man der Meinung dass der Effekt ja durchaus mal sehenswert ist (Aha-Effekt). Um das Objektiv nur selten zu nutzen ist es einfach zu teuer. Aber es mag sich jeder seine eigene Meinung zum Fisheye bilden.
    LG Jürgen

  3. Guter Artikel und Vorstellung des Fish-Eye Objektiv. Ich finde die Fotos die mit einem
    solchem Objektiv entstehen, interessant und spannend. Habe mich auch schon dafür interessiert , wenn es nicht so teuer wäre. Dazu kam sicherlich noch der Gedanken, daß man es sicherlich nicht so häufig benutzt….
    Aber Dein Bericht zeigt, daß sich der Spaß nicht so schnell abnutzen muß….
    LG Daisy

  4. Ich glaube auch, dass es da eher um den Aha-Effekt geht…
    Das erste Baum-Foto ist toll. Man hat da den Blick nach oben, und gleichzeitig hat man auch einen seitlichen Blick zur Landschaft. Aber sich so krümmende Häuser finde ich einfach zu unrealistisch, das sieht (im negativen Sinne) sehr komisch aus. Das Foto mit dem Autofahrer jedoch, ist tatsächlich komisch, es ist aber ein typischen Fisheye-Blödelfoto… und da bleibt nach dem Aha-Moment nix mehr übrig.

  5. Ich denke mit einem Superweitwinkel Objektiv sind die Möglichkeiten weit weniger eingeschränkt, als dieses bei einem Fisheye der Fall ist. Auf Dauer werden die krummen Linien, die man zwar weitgehend mit einer genauen Kamera Ausrichtung horizontal und vertikal, verringern kann, doch auf Dauer langweilig. Bernhard hat zwar eine komfortable Möglichkeit der Korrektur der krummen Linien vorgestellt, auf der anderen Seite geht dadurch aber auch der Sinn der Fisheye Fotografie verloren. Ich vermute daher beim Erwerb eines solchen Objektivs, zuerst wird fleißig damit fotografiert, danach verschwindet es in der Schublade und man erinnert sich nur noch sporadisch an dieses Objektiv.