Die Welt ist voller Farben und viele Digitalkameras sind so eingestellt, dass sie diese Farben kräftig und satt ins Bild bringen, weil die Käufer es so möchten. Haben da Bilder ganz ohne Farben noch eine Chance? Wenn man sie richtig macht: Ja!

Schwarz/Weiß-Fotografie war Jahrzehnte lang die vorherrschende Art der Fotografie. Erst ab den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts begann der Siegeszug der Farbfotografie, neben der S/W, oft verknüpft mit der Arbeit im eigenen Labor, immer Bestand hatte. Dann geriet S/W ein bisschen in Vergessenheit. Zu behaupten, jetzt wären die Graustufenbilder wieder im Schwange, wäre übertrieben, aber sie erfreuen sich doch einiger Beliebtheit. Sehr viele Digitalkameras (vermutlich alle, aber wer kennt schon wirklich alle?) bieten die Möglichkeit S/W-Bilder aufzunehmen und die Leica Monochrom Modelle (den Test der Leica M10 Monochrom finden Sie hier) wurde eigens zu diesem Zweck entwickelt. Nicht zu vergessen, dass man in sehr vielen Bildbearbeitungsprogrammen Farbbilder in Schwarz/Weiß-Bilder umwandeln kann.

Was bedeutet Schwarz/Weiß-Fotografie nun eigentlich? Natürlich: Fotografieren unter dem Weglassen von Farbe. Aber wenn es so einfach wäre, würde es reichen, ein Farbbild in einem Bildbearbeitungsprogramm zu öffnen und die Sättigung für alle drei Farbkanäle (Rot, Grün, Blau) auf Null zu setzen. Gut – manchmal reicht das tatsächlich, aber normalerweise steckt schon ein bisschen mehr dahinter, denn nicht jedes Motiv eignet sich gleichermaßen für die Wiedergabe in Farbe und Schwarz/Weiß.

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Streetfotografie – nach Innen verlegt. Die Schwarz/Weiß-Technik bringt Reportagecharakter ins Bild. (Foto: Andre Arizpe – Fotolia.com)

Schwarz/Weiß-Fotografie (fast hätte ich geschrieben: Die Kunst der S/W-Fotografie …, aber so verstiegen wollen wir nicht sein) beginnt damit, dass man die richtigen Motive erkennt. Man muss lernen S/W zu sehen. Natürlich ist es nicht ganz einfach, die Farben wegzudenken. Es kann helfen, sich einen Rotfilter zu besorgen und ihn bei der Suche nach einem S/W Motiv vors Auge zu halten. Er überdeckt viele Farben und man konzentriert sich automatisch auf das, worauf es in S/W-Bildern (unter anderem ) ankommt: Auf Linien, Formen und Strukturen.

In der Farbfotografie helfen die unterschiedlichen Farben im Motiv, es zu gliedern und zu gestalten. Wenn die Farben weg sind, übernehmen natürlich die verschiedenen Grautöne diese Aufgabe, sie müssen aber von den grafischen Elementen unterstützt werden. (Bei dieser wie bei allen anderen Aussagen gilt natürlich: Es gibt Ausnahmen!) Deutliche Kanten, Linien, die das Auge führen, tragen viel zur guten Wirkung eines S/W-Bildes bei.

Ein andere Möglichkeit, zu entscheiden, ob ein Motiv auch in S/W wirkt, ist, an der Kamera den Monochrom-Modus zu wählen. Dann sieht man auf dem Monitor (bei DSLR-Modellen muss natürlich Live-View aktiviert sein) das Motiv in Graustufen – nimmt es aber auch so auf. Wieso aber? Man möchte doch ein Graustufenbild. Das schon. Aber wenn das Bild erst einmal als Graustufen-JPEG gespeichert wurde, sind die Farben definitiv weg und man kann am Ergebnis nicht mehr viel ändern. Viel praktischer ist es, in Farbe zu fotografieren und das Bild dann am Rechner in S/W zu konvertieren, vorausgesetzt es kommt ein Programm zum Einsatz, das mehr kann, als einfach nur die Farben wegzunehmen. Noch besser ist es, das RAW-Format zu nutzen, wenn die RAW-Datei farbig gespeichert wird. Das muss man ausprobieren – die Canon EOS 5D Mk IV tut das, die Panasonic Lumix S5 dagegen nicht. 

Drei SW-Aufnahmen
Links und Mitte: Beide Bilder kommen mit wenigen grauen Zwischentönen aus und leben dadurch von der Beschränkung auf Formen – verspielt die Kala, streng und geradlinig die Fassade.
Rechts: S/W-Landschaftsaufnahmen leben von den Wolken, denn eine einfach nur graue Fläche ist noch langweiliger als blauer Himmel.
(Fotos von links nach rechts: ETIEN – Fotolia.com | csrdp – Fotolia.com | joé – Fotolia.com)

Es gibt natürlich Motive, da muss man nicht lange überlegen, ob sie in S/W gut wirken werden, oder nicht. Klaviertasten, Dominosteine, Zebras und Schachspiele – nein, das war jetzt nicht ganz erst gemeint, obwohl es natürlich stimmt. Porträts sind ein Motivgebiet, das immer für S/W gut ist, wo S/W oft sogar das Farbbild übertrifft. In dieses Umfeld fallen auch Hochzeitsfotos, nicht nur, weil die Braut (meist) ohnehin weiß und der Bräutigam schwarz gekleidet ist.  Auch Winterbilder kommen oft sehr gut in Schwarz/Weiß. Eine Winterlandschaft wirkt ja schon von sich aus fast monochrom. Auch Architektur lässt sich sehr gut in S/W-Bildern einfangen. Gebäude wirken durch die Form, die ihr Architekt ihnen mitgegeben hat, sie wirken durch die Strukturen in den Fassaden, und erst dann kommt die Farbe ins Spiel. Und natürlich: Streetfotografie und Reportage sind, wenn man die Farben weg lässt zwar nicht realistischer, aber echter und aussagekräftiger.

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Wie auch immer man fotografiert: Das Licht spielt eine entscheidende Rolle. Seine Richtung, seine Helligkeit bestimmen das Bild ebenso, wie die Qualität (weich oder hart). Aber in der Schwarz/Weiß-Fotografie ist diese Abhängigkeit vom richtigen Licht noch viel ausgeprägter, als bei Aufnahmen in Farbe. S/W Bilder leben vom Kontrast, die unterschiedlichen Grauwerte formen das Motiv. Seitliches Licht und Streiflicht bringen die Strukturen im Motiv deutlich zu Geltung. Gegenlicht kann durch die Silhouettenbildung dazu führen, dass das Bild im Sinne des Wortes schwarz/weiß wird und Zwischenstufen fehlen.

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Das S/W-Bild zeigt die Melancholie, die eine Farbaufnahme nur schwer einfangen kann. (Foto: xalanx – Fotolia.com)

Die unterschiedlichen Grautöne kommen allerdings nicht nur davon, dass verschiedene Motivteile verschieden stark beleuchtet werden. Auch die Farben, die in Graustufen übersetzt werden, spielen dabei eine Rolle. Eine rote Tulpe mit ihren grünen Blättern am grünen Stängel wirkt als Farbbild immer gut. Das Schwarz/Weiß-Bild vom selben Motiv ist eher langweilig, den Grün und Rot werden als ähnliche Graustufen wiedergegeben. Damit hatten schon die Fotografen zu analogen Zeiten zu kämpfen. Sie behalfen sich mit Farbfiltern und machten sich die Tatsache zunutze, dass ein Farbfilter Licht in seiner Eigenfarbe passieren lässt und Licht in der Komplementärfarbe sperrt. Davon sind natürlich auch die entsprechenden Anteile dieser Farben in Mischfarben betroffen. Am Beispiel der Tulpe heißt das, dass ein Rotfilter sie heller ins Bild bringt und Grün abgedunkelt wird. Das klappt auch bei Digitalkameras, wenn man sie im Monochrommodus nutzt – ist allerdings viel zu umständlich.

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S/W lädt auch dazu ein, einmal eine Tonung, hier Sepia, zu probieren. (Foto: donvanstaden – Fotolia.com)

Einige Kameras bieten die Möglichkeit, im Monochrommodus Farbfilter zu simulieren, was der Arbeit mit echten Filtern nicht immer ganz entspricht, ihr aber nahe kommt. So betont der Gelbfilter den Kontrast zwischen weißen Wolken und blauem Himmer, der Orangefilter verstärkt diese Wirkung und der Rotfilter dramatisiert sie mit  einem fast schwarzen Himmel. Orangefilter bringen zudem bei Porträts eine schöne Wiedergabe der Haut (als Grauton, natürlich), Gelb- und Grünfilter helfen, verschiedene Grüntöne gut zu trennen und mit dem Grünfilter lassen sich auch bunte Blumen aus einer Rasenfläche herausarbeiten.

Wie weiter oben schon angesprochen führt der Weg zu guten S/W-Bildern über Farbbilder, die man in einem entsprechenden Bildbearbeitungsprogramm öffnet, um dann gezielt die Farben in Graustufen zu wandelt. Im Adobe Photoshop führt z. B. ein Weg über Datei > Korrekturen > Schwarzweiß, wo 6 Farben beeinflusst werden können, ein anderer Weg über den Kanalmixer, in dem man die RGB-Kanäle manipuliert. Bei der Arbeit mit diesen Hilfsmitteln ist es gut, wenn man die Wirkungsweise der verschiedenen Farbfilter vor Augen hat. Zudem gibt es Programme wie Nik Silver Efex Pro, das eine ganze Reihe von Voreinstellungen bietet, mit denen man bestimmte Effekte erzielen kann, vom „Film Noir“ bis „High Key“ und „Low Key“, wo einmal helle Töne, einmal dunkle Töne überwiegen, wie etwa einmal bei Schneebildern und das andere mal bei einem Aktbild vor dunklem Hintergrund und mit deutlich ausgeprägten Schattenpartien.

Starke Kontraste sind gut für ein starkes S/W-Bild, hier hervorgerufen durch die Lichtspiegelung und verstärkt durch den harten Schatten. (Foto: nasruleffendy - fotolia.com)
Starke Kontraste sind gut für ein starkes S/W-Bild, hier hervorgerufen durch die Lichtspiegelung und verstärkt durch den harten Schatten. (Foto: nasruleffendy – Fotolia.com)

Natürlich ist einfacher, der Kamera die Wandlung in S/W zu überlassen, statt am Rechner alles selbst zu machen. Aber zum einen werden die Bilder ohnehin geöffnet und in Sachen gerader Horizont, Tonwertkorrektur und Schärfe optimiert, und da kann man sich an Kopien fertiger Bilder gleich noch um eine ordentliche S/W-Konvertierung kümmern. Und wenn dafür wirklich keine Zeit ist, kann man auch mal schnell den Befehl Graustufen für eine Kopie des Bildes aufrufen – das Farbbild bleibt als Ausgangsmaterial für spätere Versuche erhalten.

Text und Aufmacherfoto (c) Herbert Kaspar

 

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