Die Automatik kann das, sagt der eine. Mag sein, sagt der andere. Aber ich bevorzuge den „Manuell-Modus“. Und wer hat nun recht?

Actio est reactio befand Isaac Newton (3. Newtonsches Axiom), und er scheint bis heute recht behalten zu haben. Was der Engländer in der damaligen Sprache der Wissenschaft, Latein, sagte, heißt, dass jede Kraft eine gleichgroße Gegenkraft erzeugt. Nach diesem Prinzip funktionieren zum Beispiel Raketen (und ja, die Amerikaner waren auf dem Mond!).

Der Spruch von Kraft und Gegenkraft wird gern auch außerhalb der Physik im übertragenen Sinne genutzt, und genau das möchte ich nun auch tun.

Seit die Canon A-1 mit der Programmautomatik den Zorn von Fotopuristen auf sich zog, ist die Automatisierung der Kameras noch ein gutes Stück vorangekommen. Es geht so weit, dass die Kamera das ihr zugewandte Auge einer Person erkennt, darauf scharf stellt, verschiedene andere Parameter Richtung Porträt dreht, den Bildausschnitt passend optimiert und mit einem freundlichen “Jetzt bitte Lächeln” die Aufnahme macht. Gut, das mit der Aufforderung zum Lächeln gibt es noch nicht, aber nachdem die Kameras für die Wiedergabe eines Films eingebaute Lautsprecher haben und Siri eine nicht unangenehme Stimme hat, möchte ich die “Jetzt bitte Lächeln”-Ansage für die Zukunft nicht ganz ausschließen.

Die schiere Vielzahl der Automatiken, die einem alles und jenes abnehmen möchten, führt denn prompt auch zur Gegenreaktion. Immer wieder hört man Fotografen sagen; “Ich mache alles manuell, dann habe ich die volle Kontrolle über das Bild.”

Natürlich liegt der Schluss nahe, dass man nur dann die volle Kontrolle hat, wenn man alle wesentlichen Parameter von Hand einstellt. Aber er ist falsch.

Meine erste Kamera nach der Voigtländer Vito B meines Vaters war eine Praktica. Sie hatte schon Innenmessung, was einige ältere Fotografen zu dem Schluss kommen ließ, das könne nichts werden. Die Belichtung müsse mit dem Handbelichtungsmesser per Lichtmessung ermittelt werden, und  meine Haare seien eh viel zu lang. Obwohl der Einsatz eines Handbelichtungsmessung in der Tat nicht zu verachten ist, brachte mir der eingebaute Belichtungsmesser sehr viele richtig belichtete Dias.

Das Vorgehen beim Fotografieren mit der Praktica war manuell. Hatte ich deswegen die volle Kontrolle über das Bild?

Für eine bestimmte Schärfenzone wählte ich die Blende vor, die mir passend erschien, und drehte dann am Verschlusszeitenrad, bis der dünne Zeiger im Sucher auf den „Belichtung-OK-Index“ wies, denn ich wollte ja nicht nur eine bestimmte Schärfenzone, sondern auch ein richtig belichtetes Bild.

Für einen bestimmten Bewegungseffekt wählte ich eine Verschlusszeit vor, die mir passend erschien, und drehte dann am Blendenring, bis der dünne Zeiger … usw.

Mit anderen Worten: Ich hatte entweder die Kontrolle über die Blende oder über die Verschlusszeit. Den jeweils anderen Parameter stellte ich – voll manuell und entsprechend langsam – so ein, wie Helligkeit und Empfindlichkeit es erforderten. Letztere wurde noch in DIN oder ASA angegeben und lag meistens in einem Bereich zwischen 18 DIN/ASA 50 und 21 DIN/ASA 100 (nebenbei erwähnt).

Genau das, den jeweils anderen Parameter zu einer vorgewählten Blende oder Verschlusszeit einzustellen und dabei Helligkeit und Empfindlichkeit zu berücksichtigen, tun auch Zeit- und Blendenautomatik. Man behält die Kontrolle über einen wesentlichen Parameter der Bildgestaltung, überlässt den Rest der Kamera und kommt schneller zum Ziel, als beim manuellen Belichtungsabgleich.

Und wenn man sich bei den Einstellungen einmal nicht genau nach den Vorgaben einmal nicht genau den Vorgaben des Belichtungsmessers richten möchte, ist ein Korrekturfaktor rasch eingestellt.

Bleibt der dritte wesentliche Parameter für ein gelungenes Bild: die Lage der Schärfenebene.

Bei meiner Praktica drehte ich den Fokussierring am Objektiv, bis ich auf der Einstellscheibe im Sucher, die damals eine Mattscheibe war, die Schärfe erkennen konnte. Ein Schnittbildkeil und ein Mikroprismenring halfen, die Schärfe auf den Punkt zu bringen.

Auch hier macht die Automatik, sprich: der Autofokus, das, was man manuell tun würde – nur schneller und (meist) auch sicherer.

Allerdings kann sich hier eine andere Automatik störend bemerkbar machen: die automatische Wahl des AF-Messfeldes. Die sollte man in den allermeisten Fällen lieber nicht nutzen.

Statt dessen: Nur ein Messfeld oder eine kleine Gruppe von Messfeldern aktivieren und dann selbst festlegen, welcher Teil des Motivs erfasst werden soll. Dann klappt es auch mit der Schärfenautomatik.

Eine Ausnahme bestätigt hier jedoch die Regel. Man aktiviert im LiveView-Modus die Monitorlupe und/oder Fokus-Peaking, schaut auf dem Sucher- oder Rückwandmonitor zu, wie sich beim manuellen Drehen am Fokussierring die Schärfenebene über das Motiv bewegt und legt sie dann genau dahin, wo man sie haben möchte. Das setzt aber voraus, dass man in Ruhe und mit einem Stativ fotografiert – sie wissen schon, diese Dinger mit drei Beinen.

Alles manuell?

Lieber die einige Automatiken richtig für sich arbeiten lassen und die gewonnene Zeit nutzen, sich mit dem Motiv in Ruhe zu befassen. Mehr zu diesem Thema finden Sie hier.

Herzlich,

Herbert Kaspar

 

Text und Bild (c) Herbert Kaspar